Hubertus Heil fordert neuen Mindestlohn: Wie viel ist genug?
Der Arbeitsminister schlägt vor, den Mindestlohn schneller zu erhöhen als bisher geplant. 10 Millionen Beschäftigte verdienen derzeit weniger als 12 Euro pro Stunde.
Die Mindestlohnkommission hatte Ende Juni eine Anhebung in vier Stufen bis Mitte 2022 empfohlen – von jetzt 9,35 Euro auf 10,45 Euro pro Stunde. Die unabhängige Kommission wurde eingerichtet, um regelmäßig die Höhe des Mindestlohns zu überprüfen und Empfehlungen für Anpassungen zu machen. Hierzu erarbeitet sie alle zwei Jahre einen Vorschlag. Die Empfehlungen werden von der Regierung in der Regel umgesetzt.
Heil kündigte nun an: „Ich werden im Herbst Vorschläge zur Weiterentwicklung des Mindestlohns und zur Stärkung der Tarifbindung machen.“ Zunächst solle der Mindestlohn angehoben werden wie von der Kommission vorgeschlagen. „Aber mir reicht das nicht aus“, stellte der Minister klar. „Ich habe nach dem Gesetz die Aufgabe, fünf Jahre nach Einführung des Mindestlohns den gesamten Mechanismus zu untersuchen.“ Seit 2015 gilt eine Lohnuntergrenze in Deutschland. Damals waren es zunächst 8,50 Euro.
Heil will der Kommission nun „weitere Kriterien“ an die Hand geben, wie er sagte. „Im Moment orientiert sich die Weiterentwicklung des Mindestlohns stark an der Tarifentwicklung“, so der SPD-Politiker. „Ich kann mir vorstellen, dass wir der Kommission ein weiteres Kriterium mitgeben und sie sich stärker an der Entwicklung mittlerer Einkommen – des Medians – orientiert.“
9,99 Millionen Mindestlohnempfänger
Tatsächlich empfiehlt die Kommission die Anpassung des Mindestlohns vorwiegend gemäß der durchschnittlichen Tariferhöhungen. Bereits Gewerkschaften hatten kritisiert, dies sei eine rein statistische Größe. Sie hatten gefordert, dass der auch im Mindestlohngesetz vorgesehene Mindestschutz der Arbeitnehmer eine größere Bedeutung bekommt.
Heil sagte: „Es geht um Leistungsgerechtigkeit. Es ist aber auch ökonomisch sinnvoll, weil das die Kaufkraft der Menschen stärkt.“
Ökonomen und Arbeitgeber haben dagegen immer wieder vor neuen politischen Vorgaben für einen höheren Mindestlohn gewarnt. Dies gefährde Beschäftigung, argumentieren sie.
Weniger als 12 Euro pro Stunde verdienten zuletzt 9,99 Millionen Beschäftigte, wie eine der Deutschen Presse-Agentur vorliegende Antwort des Statistischen Bundesamts zeigt, die die Linke im Bundestag angefordert hatte.
Starke regionale Unterschiede
In Ostdeutschland lag der Anteil der Beschäftigungsverhältnisse mit unter 12 Euro in der Stunde bei 36,7 Prozent. In Westdeutschland einschließlich Berlin betraf dies 24,7 Prozent der Beschäftigten. Diese im Juli erstellte Statistik des Bundesamts zeigt das Bild im April 2018.
Der durchschnittliche Bruttostundenverdienst lag deutschlandweit bei 19,37 Euro. Am niedrigsten war er mit 15,86 Euro in Mecklenburg-Vorpommern. Am meisten verdienen die Beschäftigten in Hamburg – dort waren es 21,90 Euro.
Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, Sabine Zimmermann, sagte der dpa, die jüngste Empfehlung der Mindestlohnkommission sei nicht akzeptabel und zementiere den Niedriglohnbereich. „Die Arbeitgeber haben offensichtlich eine spürbare Anhebung des Mindestlohns verhindert.“
Die Lohnuntergrenze gilt für alle volljährigen Arbeitnehmer – außer für Langzeitarbeitslose nach einer Arbeitsaufnahme in den ersten sechs Monaten. Auch für Azubis, Menschen mit Pflichtpraktikum oder Praktika unter drei Monaten gilt er nicht. Daneben haben mehrere Branchen tarifliche Mindestlöhne, die über der Lohnuntergrenze liegen.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat für Deutschland berechnet, dass eine die Lebensgrundlage sichernde Lohnuntergrenze für Deutschland bei 12,61 Euro liegen müsste. Auch deutsche Sozialverbände, sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerverbände, sprechen sich dafür aus, den Mindeslohn anzuheben.
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