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Horst Seehofer zieht konkrete ObergrenzeDer 200.001ste muss draußen bleiben

Der CSU-Chef nennt eine Zahl: 200.000 Flüchtlinge könne Deutschland jährlich aufnehmen. Am besten nur solche mit Papieren. Erneut pocht er auf die Pflicht zur Integration.

Nicht jederm, der an die Tür klopft, wird auch geöffnet, stellt Seehofer klar. Der CSU-Chef mit Sternsingern. Foto: dpa

Berlin afp | Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat eine konkrete Obergrenze von „maximal 200.000 Flüchtlingen“ pro Jahr gefordert. „Aus den Erfahrungen der Vergangenheit kann ich sagen: In Deutschland haben wir keine Probleme mit dem Zuzug von 100.000 bis höchstens 200.000 Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen pro Jahr“, sagte der CSU-Chef der Bild am Sonntag. „Diese Zahl ist verkraftbar, und da funktioniert auch die Integration. Alles was darüber hinaus geht, halte ich für zu viel.“

Seehofer führte aus, zu dieser Zahl von maximal 200.000 Flüchtlingen komme schließlich noch eine große Menge an Zuwanderern, die von der Freizügigkeit in der EU profitierten oder gezielt von Deutschland angeworben würden. Dies seien „insgesamt noch einmal etwa eine halbe Million Menschen“. Außerdem müsse der Familiennachzug bei Flüchtlingen berücksichtigt werden.

Seehofer warnte, dass die Flüchtlingszahl ohne Gegenmaßnahmen 2016 noch deutlich höher liegen werde als im vergangenen Jahr. „Das zentrale Ziel für 2016 muss lauten, die Zahl der Zuwanderer zu begrenzen. Von diesem Ziel sind wir derzeit sehr weit entfernt“, kritisierte der CSU-Chef. Im Dezember seien im Tagesdurchschnitt 4000 Flüchtlinge nach Bayern gekommen, auf ein Jahr hochgerechnet wären dies rund 1,5 Millionen. „Das sind mehr als im gesamten Jahr 2015 und wäre auf keinen Fall zu verkraften“, warnte Seehofer. Nötig sei daher „eine Wende in der Flüchtlingspolitik“.“

Zudem drang Seehofer in der BamS auf mehr internationale Solidarität gegenüber Deutschland: „Christlich wäre es, wenn alle EU-Staaten endlich bereit wären, Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen.“ In Europa sei aber „der Egoismus so stark ausgeprägt wie nie zuvor“. Seehofer verwies überdies auf die Verantwortung der arabischen Staaten und der USA. „Letzteren verdanken wir so manche Probleme, die die Ursache für die Fluchtbewegungen sind“, kritisierte der bayerische Ministerpräsident.

CSU: „Herrschaft des Rechts wieder herstellen“

Wenige Tage vor der CSU-Klausur in Wildbad Kreuth rechtfertigte Seehofer die Forderung seiner Partei, Flüchtlinge ohne Ausweispapiere an der Grenze abzuweisen. Diese Regelung solle „die Herrschaft des Rechts in Deutschland und Europa wieder herstellen. Dazu gehört: Wer nach Deutschland einreisen will, muss sich ausweisen können.“

Zu den CSU-Forderungen nach einer Integrationspflicht für Zuwanderer sagte der bayerische Ministerpräsident, Zuwanderer sollten „mit uns leben und nicht neben uns oder gar gegen uns“. Über eine Verpflichtung zur Integration sollte es daher „überhaupt keine Diskussion geben“.

Scharfe Kritik übte der CSU-Chef am Koalitionspartner SPD. Anfang November habe er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel das Asylpaket II mit klaren Regeln für die Registrierung, für schnellere Verfahren und für die Rückführung verabredet. „Gabriel musste für die SPD ein Stoppschild setzen, das Paket liegt auf Eis. Das sagt doch alles über den inneren Zustand der SPD“, monierte Seehofer.

Oppermann plädiert für ein viertes Ausbildungsjahr

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann schlägt eine Verlängerung der Berufsausbildung für Flüchtlinge und benachteiligte Deutsche vor. „Jungen Flüchtlingen und benachteiligten Deutschen, die keine Berufsausbildung haben, sollten wir ein viertes Ausbildungsjahr ermöglichen“, sagte Oppermann der „Welt am Sonntag“. Dabei solle das zusätzliche Jahr der üblichen Ausbildung vorangestellt werden.

„In diesem vierten – vorgezogenen – Jahr werden die jungen Menschen fit gemacht für die eigentliche Ausbildung“, führte Oppermann aus. Solch ein Eins-plus-drei-Modell, das in einem Tarifvertrag der Chemie-Branche schon praktiziert werde, „könnte staatlich gefördert werden“.

Betriebe, die Flüchtlinge ausbilden, sollen vom Staat dafür Unterstützung erhalten, forderte der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. „Viele Unternehmen engagieren sich sehr direkt für Flüchtlinge – im wohlverstandenen Eigennutz, sie wollen Arbeitskräfte gewinnen“, sagte Oppermann. „Das sollten wir fördern.“

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7 Kommentare

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  • Herr Seehofer hat vor Allem das Problem, absolute Mehrheit in Bayern. Da geht err massiv in die Offensive und fordert was in den bayerischen Wirtshäusern gefordert wird.In Berlin bei Frau Merkel spielt er den Schmusekater, der alle von ihm gesetzten roten Linien vergisst. Darum heißt er in Bayern der " Drehhofer" und man wartet auf ein gstandenes Mannsbild Markus Söder.

  • Eine Republik, die seit Jahrzehnten Millionen von Bayern aushält, kann auch Millionen von Flüchtlingen unterbringen.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      und wir müssen seit unzähligen Jahren die Preissen alimentieren, wie ihre Wirtschaft funktioniert sieht am am Berliner Flugplatzbau mit ungewisser Fertigstellung und unvorstellbaren Millionenbeträgen im Orkus Berlin versenkt. Mia san Mia - Ha-Ha

      fidelio224

  • Also wenn wir uns mit der Leistung des Libanon vergleichen, dann würde ich sagen: 20 Millionen Flüchtlinge im Jahr, das schaffen wir.

     

    Wir müssen allerdings langsam ernsthaft anfangen, die ökonomische Ungleichheit abzubauen, damit sich die Leute nicht mehr so bedroht von Einwanderern fühlen. Ungleichheit senkt die Lebensqualität erheblich, das ist jetzt in wissenschaftlichen Studien nachgewiesen. Und sie senkt auch die Lebensqualität der Wohlhabenden! (Pickett/Wilkinson: Gleichheit ist Glück)

     

    Leider ist Seehofer genauso wie alle anderen Rechtspopulisten ein absoluter Feigling. Lieber hetzt er gegen Flüchtlinge, anstatt die Probleme an der Wurzel anzupacken und eine linke Wirtschaftspolitik zu verfolgen, wofür er sich natürlich mit ein paar reichen Menschen anlegen müsste.

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @Smaragd:

      Obwohl Seehofer seine Meinung täglich neu bestimmt, ist ihm aber immerhin (laut Beitrag) rausgerutscht, was Wissenschaftler längst von den Dächern pfeifen, aber die rechten Politiker sich noch nicht zu sagen getrauen: 'Seehofer verwies überdies auf die Verantwortung der arabischen Staaten und der USA. „Letzteren verdanken wir so manche Probleme, die die Ursache für die Fluchtbewegungen sind“'. Vielleicht sollte Seehofer für die europäische Solidarität die Herrn Orban, Duda und Zeman und für die Schuld Amerikas den Herrn Obama, W. Bush oder gleich Trump zur CSU-Klausur nach Kreuth einladen

  • Wenn nur noch 200.000 Flüchtlinge "herein" dürfen nimmt die Gesamtbevölkerung ab bei jährlich rund 800.000 Deutschen, die jährlich auswandern. Und das sind junge Leute, keine Pensionäre. Unterm Strich fehlen uns damit künftig immer mehr Leute, die durch ihr Einkommen die Rentensysteme stützen würden. Und die Flüchtlinge waren bereit, nach einer gewissen Integrationszeit diese Lücke mit ihrem bereits vorhandenen oder noch dazu zu gewinnenden Wissen und ihren Kenntnissen und Fertigkeiten - auch in einfachen Berufen - auszufüllen.

     

    Herrn Seehofers kurzsichtiges Denken schadet uns.