Honorare für rechte V-Leute: 20.000 Mark für den „Tacho“
Rechte V-Leute des Verfassungsschutzes kassierten ab Mitte der 90er hohe Summen. Nach Beginn der NSU-Ermittlungen 2011 wurden deren Akten vernichtet.
BERLIN afp | Die V-Leute des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), deren Akten nach dem Auffliegen der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) im BfV vernichtet worden waren, waren offenbar doch von größerer Bedeutung für das Amt als bislang dargestellt.
Nach Informationen der Berliner Zeitung kassierten fünf dieser V-Leute seinerzeit jährlich zwischen 6000 und 9000 D-Mark für ihre Informationen – ein nach Expertenmeinung überdurchschnittlich hoher Honorarsatz für Informanten aus der rechten Szene.
Spitzenreiter war laut dem Blatt der V-Mann (VM) „Tacho“, der 1999 fast 20.000 Mark erhielt. Eine solche Summe werde sonst nur Spitzenquellen gezahlt. Ende Juni 2012 war bekannt geworden, dass am 11. und 12. November 2011 – also unmittelbar nachdem die Bundesanwaltschaft die NSU-Ermittlungen eingeleitet hatte – im BfV insgesamt sieben VM-Akten von Spitzeln aus der rechten Szene geschreddert worden waren.
Angeblich sei die außerplanmäßige Vernichtungsaktion erfolgt, weil Aufbewahrungsfristen abgelaufen waren. Der Skandal kostete BfV-Chef Heinz Fromm das Amt.
Konzentration auf extremistische Gruppen
Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung hat sich der Bundesverfassungsschutz nach dem Skandal um die jahrelang unentdeckte Mordserie des NSU und die Aktenvernichtung neue, klare Regeln für die interne Arbeit verordnet. Eine von Fromms Nachfolger Hans-Georg Maaßen vor einem knappen Jahr gestartete umfassende Reform des Inlands-Geheimdienstes sei weitgehend abgeschlossen, berichtete das Blatt.
Wichtigster Punkt der Reform, die Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Maaßen am Mittwoch in Berlin vorstellen wollen, ist demnach die geheimdienstliche Konzentration auf gefährliche und gewaltbereite extremistische Gruppen. Radikale Splitterorganisationen am rechten oder linken Flügel sollen nur ausnahmsweise mit geheimdienstlichen Mitteln beobachtet werden.Zudem wurden die internen Arbeitsregeln verschärft: Fälle wie die vor Jahresfrist öffentlich gewordene - offenkundig willkürliche - Vernichtung von Unterlagen über Rechtsextremisten sollen sich nicht wiederholen können, schreibt die Süddeutsche.
Im Juni 2012 war bekannt geworden, dass ein Referatsleiter des BfV unmittelbar nach Aufdeckung der NSU-Mordserie Dokumente über Neonazis in Thüringen geschreddert und seine Vorgesetzten monatelang über das Datum der Vernichtung belogen hatte.
Eine neue Dienstvorschrift sieht nach Angaben aus Sicherheitskreisen vor, dass Referatsleiter ihre Akten nicht mehr auf eigene Faust, sondern nur nach intensiver Prüfung und in Absprache mit der zentralen Registratur des Dienstes vernichten können, berichtete das Blatt weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann