Homosexuellenrechte in Osteuropa: Angst vor dem Satan
Wie sicher können sich Schwule und Lesben in Osteuropa bewegen? Wie ist die Gesetzeslage? Ein Blick nach Lettland, Rumänien und Slowenien.
Lettland
„Ich verkünde stolz, ich bin schwul", twitterte Lettlands Außenminister Edgars Rinkevics im vergangenen November. Der Schritt, als erster führender Politiker des Landes seine Homosexualität öffentlich zu machen, dürfte Rinkevics nicht leicht gefallen sein. Denn in Lettland, das 1991 von der Sowjetunion unabhängig wurde und 2004 der Europäischen Union beitrat, halten sich Schwule und Lesben in der Öffentlichkeit bedeckt. Aus gutem Grund: Bei der Mehrheit der Bevölkerung hört, wenn es um sexuelle Minderheiten geht, die Toleranz auf.
Das lässt sich vor allem bei den Gay-Pride-Paraden besichtigen. 2005 kam es, wie auch in den Folgejahren, in der Rigaer Altstadt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Homos und ihren Gegnern. Auch im Alltag können sich Homos nicht sicher fühlen. Tätliche Angriffe auf der Straße und an Treffpunkten sind keine Seltenheit.
Von einer Homo-Ehe, die ab 2016 im Nachbarland Estland möglich sein wird, können lettische Schwule und Lesben nur träumen. Im Dezember 2005 wurde sogar die Verfassung geändert, um gleichgeschlechtliche Ehen unmöglich zu machen. „Der Staat soll Ehen – einen Bund zwischen Mann und Frau – schützen und unterstützen“, heißt es in Artikel 110. Im Jahr 2006 verabschiedete das Parlament immerhin ein Gesetz, das Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund sexueller Orientierung verbietet. Dazu bedurfte es jedoch erheblichen Drucks von der EU, eine entsprechende Richtlinie durchzusetzen, und der Intervention der damaligen Präsidentin Vaira Vike-Freiberga. Sie hatte gegen die erste Fassung des Gesetzes ihr Veto eingelegt.
Im kommenden Juni wird in Riga erstmals der EuroPride stattfinden. Das ist auch dem Engagement von Mosaika zu verdanken, dem einzigen lettischen Verein, der sich für die Rechte von Homos vor allem in kleinen Städten einsetzt. Doch die Vorfreude der Aktivisten wurde durch Präsident Andris Berzins gedämpft. Gefragt, wie man sich angesichts dieses Ereignisses verhalten solle, sagte er: „Jede Person wählt ihren eigenen Lebensweg. Aber diese Wahl darf nicht dem Rest der Gesellschaft aufgezwungen und es darf nicht auch noch Werbung dafür gemacht werden.“ (Barbara Oertel)
Rumänien
Obwohl Rumänien den aus kommunistischer Zeit stammenden Paragrafen 200, der Homosexualität unter Strafe stellte, 2001 abgeschafft hatte, fühlen sich Schwule und Lesben sozial isoliert und mitunter diskriminiert. Alle Umfragen der letzten Jahre ergaben eine starke Ablehnung von Schwulen, die oftmals als krank, pervers oder antichristlich diffamiert werden.
Aus einer von der Antidiskriminierungsbehörde in Auftrag gegebenen Umfrage, die gern von fundamentalistischen Internetseiten zitiert wird, geht hervor, dass sich 45 Prozent der rumänischen Bevölkerung keinen homosexuellen Arbeitskollegen wünschen. 72 Prozent fänden es unerträglich, wenn sich ein Familienmitglied als homosexuell outen würde, und 22 Prozent der Befragten erklärten, sie könnten sich nur schwer vorstellen, mit einer HIV-Infizierten Person den Arbeitsplatz teilen zu müssen.
Angesichts dieser Stimmungslage haben Gruppierungen wie Accept, die seit 1995 besteht und sich für die Gleichberechtigung Homosexueller einsetzt, einen schweren Stand. Mit noch größeren Schwierigkeiten sind Politiker konfrontiert, die sich für die Gleichbehandlung heterosexueller und homosexueller Partnerschaften einsetzen.
Das von dem unabhängigen Parlamentsabgeordneten Remus Cernea im vergangenen Jahr vorgelegte Gesetzesprojekt für eingetragene Lebenspartnerschaften stieß bereits im Rechtsausschuss der Legislative auf einhellige Ablehnung. Cernea selber, der sich schon seit Jahren gegen den zunehmenden Einfluss der allmächtigen orthodoxen Kirche auf die Politik und das Schulsystem engagiert, hatte sich mit seinem Vorstoß weiteren Anfeindungen ausgesetzt.
Für fundamentalistische Gruppierungen wie Pro Vita oder die Extremisten der Neuen Rechten bedeutet das Abschmettern seiner Gesetzesvorlage einen Sieg im Kampf mit den „Kräften des Satans, die das rumänische Volk in seiner Existenz bedrohen“. (William Totok)
Slowenien
Slowenien gilt als eines der homofreundlichsten Länder Osteuropas. Seit 1976 ist Homosexualität nicht mehr strafbar, und seit 2006 ist es möglich, eine eingetragene Lebenspartnerschaft einzugehen. Zudem gibt es eine fortschrittliche Antidiskriminierungsgesetzgebung, die explizit Schwule und Lesben einbezieht. Diskriminierung am Arbeitsplatz ist illegal – und Schwule und Lesben dürfen im Militär dienen.
Doch diese liberale Gesetzgebung, die anders als etwa in Deutschland meist ohne größeren Rummel im politischen Hinterzimmer ausgehandelt wurde, bedeutet noch keine paradiesischen Zustände für gleichgeschlechtlich Liebende. So stoppte im März 2012 ein Volksentscheid ein neues Familiengesetz, das eingetragenen Lebenspartnerschaften mehr Rechte eingeräumt hätte und sie der Ehe nahezu gleichgestellt hätte, inklusive eines Rechts auf Stiefkindadoption.
Das seinerzeit von der Mitte-links-Regierung verabschiedete neue Familiengesetzbuch sollte das aus dem Jahr 1976 stammende Familienrecht modernisieren. Die Gegeninitiative, die „Slowenische Zivilinitiative für die Familie und Kinderrechte“, wurde von der katholischen Kirche stark unterstützt und erhielt über 50 Prozent Jastimmen. Die Wahlbeteiligung lag seinerzeit allerdings bei nur 30 Prozent.
Die Regierung kann jedoch jederzeit eine neuen Anlauf unternehmen. So forderte das Verfassungsgericht bereits im Jahr 2013 das Parlament auf, die Rechte für Schwule und Lesben im Sinne des Rechts auf allgemeine Gleichbehandlung nachzubessern. Im Dezember letzten Jahres brachte nun die Oppositionspartei Vereinigte Linke (ZL) einen Antrag ein, gleichgeschlechtlichen Paaren eine Ehe zu ermöglichen, der gute Chancen hat, durchzukommen – denn auch die Regierungskoalition sowie der größte Teil der weiteren Opposition haben sich positiv dazu geäußert.
Doch auch unabhängig von der Gesetzeslage gibt es in Slowenien noch einiges zu tun: Ob verheiratet oder nicht, die meisten gleichgeschlechtlichen Paare trauen sich dort noch immer nicht, sich öffentlich zu zeigen. Zu groß ist die Angst vor offenen Anfeindungen, die immer wieder vorkommen. (Martin Reichert)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana