Holocaust-Leugner in der AfD: AfD im Kampf mit sich selbst
Ein AfD-Kreissprecher sagt, die Alliierten hätten die Gaskammern im KZ Dachau gebaut und Hitler habe den Krieg nicht geplant.
BREMEN taz | Der Sprecher der AfD für den schleswig-holsteinischen Kreis Stormarn, Dirk Helms, hat sich im Stile eines Holocaust-Leugners geäußert. Bei einem Vortrag mit dem Titel „Deutsche Selbstwahrnehmung“ in Stockelsdorf behauptete der 70-Jährige öffentlich, dass „Alliierte die Gaskammern von Dachau gebaut“ hätten. Außerdem sei der Zweite Weltkrieg nicht von Hitler geplant gewesen. Das berichteten die Lübecker Nachrichten.
Zu dem Abend unter dem Motto „Mut zu Deutschland“ hatte die AfD Ostholstein geladen. Vor 17 Zuschauern warnte Helms in seinem einstündigen Vortrag vor dem „Einnisten anderer Kulturen“ und schlug letztendlich die Brücke von einer „völlig verunsicherten deutschen Identität“ zu extrem rechten Verschwörungsideologien. Zudem redete er über den vermeintlichen Machtmissbrauch der Medien und nahm in dem Zusammenhang die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Herman in Schutz, die mit der Mutterrolle im NS-Familienbild sympathisierte.
Die Kieler Landtagsfraktionen reagierten angesichts der geschichtsrevisionistischen Aussagen des AfD-Sprechers empört. SPD-Landesvorsitzender Ralf Stegner gab zu Protokoll: „Dass die AfD sich mit solchen Leuten umgibt, demaskiert sie als rechtspopulistische Partei, die sich ganz rechts außen bedient.“ CDU-Mann Reimer Böge vertritt eine ähnliche Ansicht: „Die in großem Maße vorhandenen rechtsextremen Strömungen haben sich bei dem Vorfall erneut gezeigt.“
Peter Stoltenberg von den Grünen sagte: „Die Äußerungen und das zugrunde liegende Geschichtsbild sind schlicht unerträglich.“ Am deutlichsten wurde der FDP-Landesvorsitzende Kubicki: „Unter dem Logo ,AfD‘ formiert sich ein tumbes Gemisch auf niedrigstem intellektuellen Niveau, das schwerlich mit demokratischer Kultur in Einklang zu bringen ist.“
In der AfD war man nach dem Vortrag vom vergangenen Wochenende um Schadensbegrenzung bemüht: Der Bundesvorsitzende Bernd Lucke leitete umgehend ein Parteiausschlussverfahren gegen Helms ein. Der Ahrensburger Unternehmer trat kurz darauf von seinem Amt als Kreissprecher Stormarn zurück und sagte in einer Erklärung: „Die Themen Kriegsschuld und Konzentrationslager sind von einer Komplexität, der ich an diesem Abend nicht gerecht geworden bin“.
„Honoriger Mitstreiter“
Die AfD-Vorstände der Kreise Ostholstein und Stormarn, aber auch der Landesverband Schleswig-Holstein distanzierten sich in einer gemeinsamen Stellungnahme „energisch“ von der „persönlichen Einzelmeinung“ Helms. Dessen Aussagen stünden in keinem Zusammenhang mit den Grundsätzen der AfD. In derselben Erklärung wird betont, Helms sei ein „honoriger und integrer Mitstreiter“, der „aktiv am Aufbau unserer Partei mitgewirkt“ habe.
Auf diesbezügliche Nachfrage beim AfD-Landesverband Kiel „distanziert“ dieser sich wiederum von der im eigenen Namen herausgegebenen „Distanzierung“. Der Landesverband sei ganz auf der Linie der Bundespartei. Ein „Parteiordnungsverfahren ist unumgänglich“, sagt ein AfD-Mitglied, das namentlich nicht genannt werden will. Im Zusammenhang mit der Person Helms könne „nicht die Rede von honorig und integer“ sein – im Gegenteil: Er sei „untragbar“.
„Es hat ähnliche Vorfälle gegeben“
Die schnell herausgebrachte Stellungnahme sei ein Fehler und zeige, dass die junge Partei im Krisenmanagement noch unprofessionell aufgestellt sei. Professioneller sei da schon der Bundesvorstand: „Es hat ähnliche Vorfälle gegeben, die sind solche Vorgänge gewohnt.“
Entsprechend routiniert war die Facebook-Mitteilung Luckes zum Thema, der sich darin nicht nur von Helms, sondern gleichzeitig auch von Martin Sichert aus dem AfD-Landesverband Bayern distanzierte. Der hatte seinerseits kürzlich gesagt, dass im Zweiten Weltkrieg die „zwei größten Massenmörder gesiegt“ hätten.
Auf der Facebook-Seite des AfD Ostholstein übt man sich unterdessen weiter in Verschwörungsideologie. So glaubt „Rainer aus Oldenburg“, seine Partei sei Opfer einer Lügenkampagne des „linken Kampfblattes“ Lübecker Nachrichten.
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