Holger Friedrich in russischer Botschaft: Enteignet die Putin-Versteher!
Zum „Tag des Sieges“ war in der russischen Botschaft allerlei illustres Publikum geladen. Mit dabei: Der Verleger der „Berliner Zeitung“ Holger Friedrich.
Kein Witz: Ein Ex-Kanzler, ein Honecker-Nachfolger, ein Linken- und ein AfD-Politiker treffen sich zum Feiern in der russischen Botschaft“.
So titelte der Tagesspiegel über das bizarre Treffen der Putin-Versteher und angeblichen Dialog-Offenhalter von Gerhard Schröder bis Egon Krenz am Dienstag in der Berliner Vertretung Russlands. Das Lachen bleibt auch medial im Halse stecken.
Denn wer da mit Botschafter Sergei Jurjewitsch Netschajew plauderte, war niemand Geringeres als Holger Friedrich, der Verleger und Inhaber der Berliner Zeitung (BLZ). Im Schlepptau hatte er seinen Mann für solche Fälle, BLZ-Herausgeber Michael Maier.
Der Herausgeber verfasste auch gleich nach dem Empfang einen Beitrag fürs Blatt beziehungsweise dessen Website. Und der enthält eine so klare Botschaft, dass sich Maier nicht mal herausreden kann, er habe das diplomatisch und damit nicht so direkt aufgeschrieben.
Die Botschaft ist eindeutig Pro-Putin und sehr undifferenziert. „Der Botschafter überreichte mehreren Veteranen persönliche Briefe des russischen Präsidenten Wladimir Putin als Zeichen der Anerkennung für ihren persönlichen Beitrag im Kampf gegen den Nationalsozialismus“, steht da.
Fragwürdige Aussagen
Auch dass AfD-Chef Tino Chrupalla sogar ein Geschenk dabei hatte, wird von Maier beflissen notiert. „Wie konnte ein einstiger Stern-Chefredakteur bloß so abdriften?“, fragt die Mitbewohnerin.
Auch die Ukraine kommt zur Sprache. „Die westlichen Botschafter nahmen am Empfang aus Protest gegen die russische Invasion in der Ukraine nicht teil.“ Krieg, Maier, in der Ukraine ist Krieg, seit 15 schrecklichen Monaten! Aber Putins Propaganda hat ja die Nutzung des K-Worts verboten. Und der Herausgeber der BLZ hält sich dran. Sein Verleger stand ja daneben.
Dass die BLZ am Tag danach mit einem Online-Update etwas zurückruderte, ändert nichts am Befund. Friedrich hat bekanntermaßen ohnehin ein befremdliches Verständnis von Journalismus. Vor drei Wochen lieferte er Julian Reichelt ans Messer. Der ehemalige Bild-Chef hatte sich mit Material aus dem Springer-Vorstand an die BLZ gewandt. Und Friedrich ihn höchstpersönlich bei Springer verpfiffen.
Natürlich ist Reichelt schlimm. Aber wenn ein Zeitungsverleger den Quellenschutz bricht, gehört ihm das Blatt weggenommen. Enteignet Friedrich! Und Maier kann er gleich mitnehmen!
Am Mittwoch demonstrierte in Botschaftsnähe ein anderes Trüppchen Putin-Versteher auf dem Berliner Platz. Doch dann erschien ein Drehorgelspieler mit ukrainischem Fähnchen auf dem Instrument – und kurbelte die ganze „Mahnwache“ platt. Flimmern und Rauschen erklärt hiermit den 11. Mai zum Tag des Aufrichtigen Drehorgelmenschen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip