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Hoffenheims Trainer Julian NagelsmannBessermacher am Limit

Beim Remis gegen Lyon offenbart sich ein Problem der Hoffenheimer: Das Team ist der Qualität seines Trainers Julian Nagelsmann nicht gewachsen.

Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann gibt taktische Anweisungen Foto: dpa

Hoffenheim taz | Julian Nagelsmann war sich ganz sicher. An fehlender Erfahrung in Spielen mit internationalem Anstrich, versicherte der Trainer der TSG Hoffenheim, habe es nicht gelegen, dass es seine Mannschaft dem Gegner dermaßen einfach gemacht hatte, Tore zu erzielen. Den Spielern von Olympique Lyon blieb fast gar nichts anderes übrig, als dies drei Mal auszunutzen.

Mitunter dilettantisch hatten sich die Hoffenheimer beim 3:3-Remis in einzelnen Situationen gegen das Spitzenteam aus Frankreich angestellt, dass es nur eine schlüssige Erklärung gab: Im Kader fehlt es an Qualität, um in der Champions League nicht nur ansehnlich Fußball zu spielen, sondern darüber hinaus gute Resultate zu erzielen.

Das ist sicherlich eine bittere Erkenntnis nach drei Königsklassen-Duellen der Hoffenheimer, in denen sieben Punkte möglich waren, es aber nur zu zwei Unentschieden reichte. Die Spielidee des Trainers genügt den Ansprüchen im hochklassigsten Wettbewerb, den es im europäischen Klubfußball gibt, die Fähigkeiten des Personals reichen indes nicht. Es ist erstaunlich, wie es Nagelsmann gelungen ist, sein Team konkurrenzfähig mit Schwergewichten wie Manchester City, Schachtar Donezk und eben Lyon zu machen, aber nicht erstaunlich ist es wiederum, dass es vermutlich nicht reichen wird, sich in der Gruppenphase gegen sie durchzusetzen.

Nagelsmann gelingt es, seine Spieler auf ein höheres Niveau zu heben, aber natürliche Grenzen vermag er nicht zu verschieben. Die Einflussnahme des Trainers endet in den Momenten, in denen grobe individuelle Fehler der eigenen Spieler Gegentore nach sich ziehen. Gegen Lyon gab es zwei davon, beim 1:2 gegen Manchester sorgte einer für den zweiten Treffer der Engländer.

Entwicklung an der Decke angelangt

Es spricht für Nagelsmann, der weiterhin der jüngste Trainer in der Bundesliga ist, dass er schon im zurückliegenden Frühjahr zu der Erkenntnis gelangte, in der Entwicklung mit dem aktuellen Klub an der Decke angelangt zu sein. Früh hatte sich dieser mitunter überehrgeizige 31-Jährige deshalb entschieden, die Hoffenheimer im Sommer 2019 mittels einer im Vertrag eingebauten Ausstiegsklausel zu verlassen.

Nagelsmann fühlte bereits, was sich mittlerweile deutlich zeigt: Er ist dem Klub, der ihn im Alter von 28 Jahren zum jüngsten Cheftrainer der Liga-Geschichte machte, inzwischen entwachsen. Den Hoffenheimern sind finanziell und infrastrukturell (selbst auferlegte) Grenzen gesetzt, die ihren Coach am Fortkommen hindern.

„Man kann sich im Leben nie etwas dafür kaufen, was gewesen ist“, sagte Nagelsmann nach diesem unterhaltsamen Fußballspiel gegen Lyon, das für neutrale Beobachter begeisternd, weil voller Höhepunkte und Wendungen war. „Man muss sich immer wieder neu bestätigen.“ Die Aussage war nicht auf seine eigene Person gemünzt, traf aber auch auf die eigene Situation zu.

Seit Sommer 2017 musste die TSG fünf deutsche Nationalspieler abgeben

Es reicht Nagelsmann nicht, die TSG in der vergangenen Spielzeit auf den dritten Rang in der Liga und damit erstmals in die Champions League geführt zu haben. Der Trainer will mehr erreichen, Platz drei soll nicht das Maximum bleiben – und deshalb zieht er im kommenden Sommer zu RB Leipzig weiter.

Es ist eine Gefahr für Trainer, ihren Abschied weit im Voraus anzukündigen, denn oft verlieren sie innerhalb der Mannschaft an Autorität und damit an Einfluss. Die Amerikaner haben dafür den Begriff der „lame duck“, der „lahmen Ente“, erfunden. Es spricht für Nagelsmann, dass es in Hoffenheim dafür überhaupt keine Anzeichen gibt.

In der Liga hinkt der Klub den Ansprüchen des Cheftrainers zwar hinterher und ist aktuell in der Tabelle auf dem achten Rang platziert. Mit dem feststehenden Abgang des Trainers hat das aber nichts zu tun. Der starke Charakter und die Persönlichkeit des Fußballlehrers stehen einem Autoritätsverlust entgegen. Hinzu kommt die Erkenntnis der Spieler, dass Nagelsmann sie besser macht.

Der Trainer kämpft in seiner Abschiedsspielzeit in Hoffenheim mit Hingabe dagegen an, den Qualitätsverlust im Kader auszugleichen. Seit Sommer 2017 musste die TSG mit Niklas Süle, Sebastian Rudy, Sandro Wagner, Mark Uth und Serge Gnabry allein fünf deutsche Nationalspieler abgeben. Sie alle wurden mit der Hilfe von Nagelsmann zu gut für den Klub im Kraichgau und folgten einer Logik des Marktes, der sich der Trainer genauso wenig verschließen konnte.

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1 Kommentar

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  • Ich halte Nagelsmann für einen sehr guten Trainer, aber ob er tatsächlich besser als der Klub ist, muss er erst noch beweisen. Die derzeitigen Probleme bzgl. der "Qualität" kann man auch vorschieben. Mal sehen, ob er es bei RB Leipzig besser machen kann. Da gibt es zwar viel Potential, aber es fehlt an Erfahrungen, da dort vorwiegend mit sehr jungen Spielern geplant wird. Ob dort auf Dauer mehr als Platz 3 in der Bundesliga drin ist, mag ich zu bezweifeln.