Hoeneß’ Ausstieg bei Bayern München: Schrecklich unterhaltsam
Der Drang des Vereinspräsidenten, mitzumischen, hat an Spannkraft verloren. Er faszinierte mit seiner Widersprüchlichkeit und Selbstgerechtigkeit.
D er FC Bayern wird sicherlich auch ohne Uli Hoeneß bestens funktionieren. Das hat man bereits in der Zeit gesehen, als der Präsident des Vereins in der Haftanstalt Landsberg einsaß, weil er knapp 30 Millionen Euro Steuern hinterzogen hatte. Das berühmte üppige Festgeldkonto wuchs auch in der Saison 2014/15 weiter an und Deutscher Meister wurde der Verein sowieso.
Und sein Fremdeln mit den neuesten Entwicklungen im Fußballgeschäft, den immer horrenderen Transfersummen, hat Hoeneß in den letzten Jahren ohnehin des Öfteren bekundet. Der Drang des 67-Jährigen, mitzumischen, hat an Spannkraft verloren. Das ist wohl auch mit ein Grund seines bevorstehenden Rücktritts.
Die Fußball-Bundesliga ist jedoch ein Unterhaltungsbetrieb, und ihr bester Entertainer in den letzten 40 Jahren war fraglos Uli Hoeneß. Seine Emotionsausbrüche waren stets großes Kino. Er hatte zu allem stets etwas zu sagen – auf den Fußball ließ er sich dabei nicht beschränken. Und er faszinierte mit seiner Widersprüchlichkeit und Selbstgerechtigkeit.
Er konnte innerhalb einer Pressekonferenz mehr Respekt vor den Bayern-Spielern einfordern und dem ehemaligen Angestellten Juan Bernat bescheinigen, „einen Scheißdreck“ gespielt zu haben. Er war für seine ewig langen Monologe in Moralfragen bekannt, bevor er wegen Steuerbetrugs verurteilt wurde, und spricht auch heute noch gern von Moral und Anstand. Er sei ein „großer Demokrat“ hat er einst über sich selbst gesagt. In guter Erinnerung dürfte indes bei den Fußballfans seine Wutrede auf einer Jahreshauptversammlung sein, als Stehplatzfans mehr Rechte einforderten.
Hoeneß füllte mit seinen populistischen Stammtischreden wie kein anderer dieses „Mia san mia“-Gefühl aus, das zum Markenkern des Rekordmeisters wurde. Er verkörperte diese Haltung, dass man sich für sein Handeln nicht rechtfertigen muss, schon gar nicht, wenn man vom FC Bayern kommt, und erst recht nicht, wenn man Präsident des FC Bayern München ist, auf die unterhaltsamste Art und Weise. Er wird der Fußball-Bundesliga fehlen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs