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Höfesterben in der LandwirtschaftImmer weniger Bauern haben Schwein

Viele Landwirte geben auf, weil der Staat nicht festlegt, wie Ställe künftig aussehen müssen. Der Bauernverband fordert weniger Tierschutz.

Bis der Stall der Zukunft entwickelt wird, bleiben viele Schweine ohne Stroh und Auslauf Foto: Stefan Sauer/dpa

Berlin taz | Das Höfesterben in Deutschland trifft die Schweinehalter besonders stark. Wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte, sank die Zahl der Betriebe mit Schweinen zwischen 2010 und 2019 um 35 Prozent auf rund 21.600. Im Vergleich dazu ging die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe insgesamt nur um 11 Prozent auf etwa 267.000 zurück. Dabei verringerte sich der Schweinebestand lediglich um 2 Prozent auf rund 26 Millionen Tiere – die verbleibenden Betriebe halten also immer mehr Tiere.

Tatsächlich geben vor allem kleine Betriebe auf: 2010 gab es noch 4.200 Höfe, die weniger als 100 Schweine hielten. Ihre Zahl hat sich innerhalb von neun Jahren um 60 Prozent auf 1.700 verringert.

Ähnliche Tendenzen zeigen sich in der Rinderhaltung. Hier werden statt Betrieben die Haltungen erfasst – ein Betrieb kann mehrere Haltungen haben. Zwischen 2010 und 2019 ist die Zahl aller Haltungen um 23 Prozent gefallen.

Dass es immer weniger Betriebe gibt, kann zu einer ungleicheren Verteilung des Wohlstands beitragen: Große Betriebe kommen im Schnitt mit weniger Arbeitskräften pro Tier aus. Auch die Umwelt kann leiden: Wenn immer weniger Betriebe immer mehr Tiere halten, kann sich Gülle auf ein kleineres Gebiet konzentrieren und dort Natur und Wasser stärker belasten, als wenn sie regional gleichmäßiger verteilt wäre.

Spanien und andere Länder halten immer mehr Schweine

„Tierrechtler freuen sich möglicherweise über jeden Stall, der nicht mehr genutzt wird als Stall“, sagte Ulrich Jasper, Bundesgeschäftsführer der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der taz. „Aber deswegen werden ja nicht weniger Tiere insgesamt in Europa gehalten. Die Spanier, Belgier und Polen stocken die Schweinebestände auf. Das ist eine Verlagerung. Das löst das Problem der Tiere nicht. Das ist ein Pyrrhussieg der Tierrechtler.“

Jasper erklärt das Höfesterben unter anderem damit, dass über lange Zeiträume die Preise etwa für Milch zu niedrig seien, um genügend Arbeitskräfte zu bezahlen. Zudem seien gerade die Schweinehalter unsicher, ob ihre Ställe die Tierschutzvorschriften der Zukunft erfüllen. Deswegen würden viele Betriebe nicht mehr viel investieren. Wenn dann die Kinder den Hof übernehmen sollen, entschieden sie sich oft dagegen, so Jasper. „Die Politik und der Bauernverband versagen an der Stelle grandios, weil sie keinen Mut finden, klare Zielvorgaben zu benennen, also: Wie sollen die Ställe in 10, 15 Jahren aussehen?“, ergänzte der AbL-Aktivist.

Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken, fordert wegen des Höfesterbens vor allem ein „Moratorium bei zusätzlichen Auflagen und Beschränkungen, die über europäische Standards hinausgehen“, wie er der taz mitteilen ließ. Jasper dagegen erkennt an, dass viele Bürger zu Recht verlangten, Tiere besser zu halten – etwa auf Stroh oder mit Auslauf. Deshalb müsse das Tierschutzrecht verschärft werden, aber die Bauern auch mehr Geld bekommen, um die Ställe umzubauen.

Das von der CDU-Politikerin Julia Klöckner geführte Bundesagrarministerium wies auf seine Arbeitsgruppe unter Leitung des ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert hin: „Mit breiter Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen sollen hier die Ställe der Zukunft entwickelt werden, die Ökonomie und Ökologie bestmöglich miteinander verbinden sollen“, schrieb eine Sprecherin der Behörde der taz.

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13 Kommentare

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  • Zwei Drittel der Schweineproduktion in Deutschland werden exportiert, also hier gar nicht gebraucht.



    Ohne Rücksicht auf die Umwelt wird subventioniert "schweinisch" Kohle gemacht.



    Wenn jetzt darauf orientierte Bauernhöfe aufgeben, dann kann das uns und der Umwelt, sprich z.B. dem Grundwasser, nur gut tun. In den Braunkohleregionen nennt man das Strukturwandel



    Wie wär es denn mit dem Modell der Niederlande, Bauern mit Alternativkonzept dabei finanziell zu unterstützen, ihre Höfe aufzugeben.



    In Holland zur Zeit der Knaller.

    • @Trabantus:

      Deutschland hat in der Schweineproduktion einen Selbstversorgunggrad von 125%; dh. diese 25% werden exporiert. Zumeist gehen diese Exporte in die EU. Ein geringe Teil der Eporte geht nach Asien. Deutschland exportiert auch sehr viel Käse. So z.B. nach Frankreich.

  • Ein Großteil der Nutztiere für unseren gigantischen Tierproduktkonsum wird mit Kraftfutter gemästet. Zum Beispiel Soya oder Mais.



    Für Kraftfuttersoya werden ganze Regenwälder gerodet.



    Die Idylle der auf der Weide grasenden Kuh ist ganz bestimmt nicht Grundlage der weltweiten Massentierhaltung mit Mästung vor allem in den reichen Ländern.



    Die meisten Kalorien vom Feld gehen für den Stoffwechsel der Tiere drauf.



    Wie sollen wir bald 10 Mia. Menschen ernähren wenn die meiste landwirtschaftliche Fläche erst mal für den Stoffwechsel der Tiere verschwendet wird ?

    • @Traverso:

      Genau dieses Wachstum auf 10 Mrd Menschen ist das Problem, daß es anzugehen gilt.

      • @Der Erwin:

        Ihr Vorschlag ?



        Im Klimakillerland Deutschland sinkt die Bevölkerungszahl wegen geringer Geburtenrate. Das ist gut so.



        Was schlagen Sie also Schlaues armen Ländern vor, wo Menschen aus Armutsgünden viele Kinder gebären ?

    • @Traverso:

      Sorry, sollte Antwort auf Schildbürger unten sein

  • Der Gülleeintrag bleibt auch mit weniger Betrieben gleich. Grund dafür sind Gülleimporte aus den BeNeLux-Staaten. das meiste davon wird von den lieben Kleinbauern importiert, die gegen Bezahlung ihre Felder vergiften lassen, dann jammern sie , dass sie zuwenig Subventionen bekommen.

    www.agrarheute.com...okumentiert-548730

  • Viele Betriebe, und nicht nur kleine, geben auf weil sie keinen Nachfolger haben. Die Kinder der Landwirte bekommen mit wie viele Stunden ihre Eltern auf den Betrieben schuften, Sonn- und Feiertage genauso wie im übrigen Jahr, das ganze für Preise wie vor 40 Jahren, um dann als Tierquäler und Umweltzerstörer angeklagt zu werden.



    Viele kleine Betriebe in der Milchhaltung hören durch das drohende Verbot der Anbindehaltung auf, weil sie die 12000 € - 14000 €, die heute für EINEN Laufstall Kuhplatz zu investieren sind, sich ganz einfach nicht leisten können.

    • @Günter Witte:

      Sie haben Recht.



      Bei den Billigpreisen für Tierprodukte können Landwirte nur noch Tiere quälen um konkurenzfähig zu den Tierfabriken zu bleiben. Sie werden gezwungen durch den Geizistgeiltierproduktkonsument.



      Und der Staat subventioniert deshalb Massentierhaltung. Damit der Konsument, also Wähler, schön so weiter konsumieren kann wie bisher.



      Billig, billig und nochmals billig. Der kleine Landwirt geht so vor die Hunde.

  • Bei Landwirtschaft wird fast nur noch von Tierhaltung gesprochen. Weil Tierprodukte zum billigen Massenprodukt verkommen ist, was möglichst jeden Tag in rauen Mengen auf dem Tisch stehen soll. Darin sehen Fleischfetischisten wie die Deutschen schon eine Art Grundrecht. Das dießer Billigwahn die Höfe ruinieren und Tierfabriken so immer größer werden ist logische Folge. Tierschutz kann somit nur noch als wirtschaftlich störend empfunden werden. Aber warum sollen Massentierhalter umdenken wenns dem Discountereinkäufer vielmehr um den Preis als um`s Tierwohl geht.



    Und um nochmal auf meinen ersten Satz zurückzukommen: Weltweit verbraucht die Tierhaltung mit Futtermittelproduktion den weitaus größten Teil der landwirtschaftlichen Flächen. Das ist Nahrungsmittelverschwendung in Form von Pflanzen erster Güte. Methan und Lachgas in der Tierhaltung hat zudem den gleichen Treibhauseffekt wie der gesamte Weltverkehr. Wer die Verkehrswende fordert muß logischerweise auch die Ernährungswende fordern. Also weg von tierischen Lebensmitteln. Wunderbarer Nebeneffekt: Das Ende der Massentierquälerei.

    • @Traverso:

      Zu Ihrem zweiten Absatz:



      Rund 2/3 der weltweit landwirtschaftlich genutzten Flächen sind Wiesen und Weideland. Somit sollte es nicht verwundern, dass ein großer Anteil der weltweit landwirtschaftlich genutzten Flächen zur Tierproduktion verwendet wird.



      Dank Wiederkäuern wird ungenießbares Gras / Heu zu Fleisch.



      Auch in Deutschland ist ca. ein drittel der landwirtschaftlich genutzten Fläche Wiese bzw. Weideland.