Höcke, die AfD und Rechtsextremismus: Altes in neuer Verpackung
Björn Höckes Entgleisung zur deutschen Gedenkkultur zeigt einmal mehr: Die AfD ist keine normale Partei. Aber ist sie schon rechtsextrem?
Klar, Provokation ist Programm bei der AfD. Ist die Grenze zum Rechtsextremismus überschritten, wenn Frauke Petry NS-Vokabular wie „völkisch“ wieder normalisieren will, wenn Beatrix von Storch wie selbstverständlich den Begriff „Bevölkerungsaustausch“ verwendet, Alexander Gauland der Nationalelf bescheinigt, nicht mehr deutsch im „klassischen Sinne“ zu sein, und wenn nun Björn Höcke das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Mahnmal der Schande“ bezeichnet? Tatsache ist: Die AfD traut sich verdammt oft an diese Grenze heran.
Die AfD ist freilich nicht nur ihr völkisch-nationaler Flügel. Sie ist nicht nur ihr Landesverband Sachsen-Anhalt, der Museen, Orchester und Theater in der Pflicht sieht, einen „positiven Bezug zur eigenen Heimat“ zu fördern. Sie ist auch nicht nur diejenigen ihrer Abgeordneten, die Politik aus Angst vor einem „schleichenden Genozid“ an weißen Deutschen machen. Und sie ist nicht nur Björn Höcke, der mit dem Versprechen eines „vollständigen Sieges“ der AfD knapp an der Goebbels-Formel vom „totalen Krieg“ vorbeischrammte.
Aber irgendwann muss ein Schritt zurück gemacht werden. Die vielen einzelnen Mosaiksteine ergeben ein großes Bild. Und dieses Bild zeigt keine Partei mitten im demokratischen Konsens, die konservative, aber diskutable Positionen vertritt. Es ist das Bild einer Partei, die immer knapp an der roten Linie entlangtänzelt. Sie signalisiert, die neue völkische Kraft sein zu wollen – aber ohne die Nachteile, die man hat, wenn man offen so genannt wird.
Als rechtsextrem etabliert ist die NPD, deren „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ erst kürzlich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Der Verfassungsschutz nennt die Vorstellung einer „ethnisch homogenen ‚Volksgemeinschaft‘“ das „ideologische Kernelement“ der Partei – den aus dem Nationalsozialismus stammenden Begriff „Volksgemeinschaft“ verwendet die NPD offen in ihrem Parteiprogramm. Sie lehnt jegliche Einwanderung, „ob mit oder ohne Einbürgerung“, ab, sieht die „deutsche Familie“ als Grundlage des Volkes, fordert mehr Volksabstimmungen, einen mächtigen „Präsidenten der Deutschen“ und eine Entmachtung politischer Parteien. Es gibt klare Unterschiede zwischen der NPD und dem AfD-Grundsatzprogramm – aber auch die Ähnlichkeiten sind nicht zu übersehen.
Die AfD lehnt Einwanderung nicht grundsätzlich ab, will sie aber deutlich einschränken. Am wünschenswertesten sei für sie „Assimilation“. In Deutschland geborenen Kindern von Ausländern will sie die Staatsbürgerschaft vorenthalten. Schließlich zieht sie den kruden Vergleich zwischen Geburtsraten von „Migranten“ und „deutschstämmigen Frauen“. Spätestens hier wird klar: Deutsche sind für die AfD nicht jene, die die deutschen Staatsbürgerschaft haben, sondern nur solche, die deutscher Abstammung sind.
Ablehnung der deliberativen Demokratie
Auch das politische System, das die AfD anstrebt, ist dem der NPD nicht so unähnlich: Sie fordert einen „Nationalstaat des deutsche Volkes“. Alle Gesetze sollen durch eine Volksabstimmung bestätigt werden, und die „Allmacht der Parteien“ soll durch eine „freie Listenwahl“ – eine Form der Direktwahl – eingeschränkt werden. Die Forderungen sind nicht an sich rechtsextrem – aber sie sind als Ablehnung einer deliberativen, abwägenden Demokratie zu lesen. In Grundsatz-Parolen wie „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ oder der Forderung, das Grundrecht auf Asyl durch ein Recht auf „die Gewährleistung eines Asylgesetzes“ kann das Programm zudem als offen verfassungsfeindlich ausgelegt werden.
Die AfD ist anders als die NPD, sie ist ein neues Phänomen am extrem rechten Rand Deutschlands. Deshalb ist es richtig, sie mit neuen, differenzierten Blicken zu betrachten. Der Verfassungsschutz ordnet die AfD bisher nicht als rechtsextrem ein, doch zugleich ist vieles an der Partei nur Altes in neuer Verpackung.
Die AfD nicht rechtsextrem zu nennen, heißt, diese Unterschiede zu betonen. Sie in die existierende Schublade des Rechtsextremismus zu stecken, heißt, ihre Gemeinsamkeiten mit alten Rassisten zu betonen.
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