Höchste Stufe erreicht: Sudans große Hungersnot beginnt
Im riesigen Flüchtlingslager Zamzam in Darfur konstatieren Helfer das Erreichen der höchsten Hungerstufe. Sie warnen: Weitere Gebiete werden folgen.
Die Experten des internationalen Klassifizierungssystem IPC (Integrated Food Security Phase Classification) trafen dieses Urteil in einem am 1. August veröffentlichten Bericht über die Ernährungslage im Kriegsvertriebenenlager Zamzam außerhalb der Stadt El Fasher in Darfur. Wosomu nannte dies einen „Schandfleck auf unserem kollektiven Gewissen“.
Es ist erst die dritte offiziell festgestellte Hungersnot weltweit in den zwanzig Jahren Bestehen des UN-gestützten IPC-Systems, nach Somalia 2011 und Südsudan 2017. Eine IPC-Hungersnotprognose für Gaza im Frühjahr konnte durch leicht verbesserten Hilfszugang abgewendet werden.
„Hungersnot“, Stufe 5 auf der fünfstufigen IPC-Skala, bedeutet in dieser standardisierten Definition drei Dinge: mindestens 20 Prozent der Bevölkerung stehen weniger als die zum Leben notwendigen 2.100 Kilokalorien pro Tag zur Verfügung; mindestens 30 Prozent der Kinder unter fünf Jahren leiden an Auszehrung; mindestens 2 von 10.000 Menschen sterben täglich an Nahrungsmangel.
Es gibt kaum noch Essen in Darfur
Zamzam ist das größte Vertriebenenlager Sudans, wahrscheinlich eines der größten der Welt. 300.000 Menschen lebten dort im April. Inzwischen sind es zwischen 500.000 bis 800.000. Zamzam liegt am Südrand von El Fasher, ein Brennpunkt des seit April 2023 in Sudan wütenden Krieges zwischen der Regierungsarmee (SAF) und der aufständischen Miliz Rapid Support Forces (RSF). El Fasher ist die letzte noch nicht von der RSF eingenommene Provinzhauptstadt in Darfur.
In ganz Darfur gibt es kaum noch etwas zu essen. Die letzten Ernten gab es zu Jahresbeginn, die nächsten sind erst im Oktober in Sicht. Von außen kommt fast nichts in die Region, da Sudans Armee die Grenzübergänge und die Fernstraßen immer wieder schließt und die RSF plündert, was sie kann. Eine einzige UN-Hilfslieferung hat Zamzam dieses Jahr bisher erreicht: Im April erhielten 22.395 Menschen jeweils eine halbe Tagesration. Lebensmittel gibt es auf Märkten, aber die meisten Menschen haben kein Geld.
Bereits im Februar schlug die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen für Zamzam Alarm: Alle zwei Stunden verhungere ein Kind, die Sterblichkeitsrate liege mit 2,5 Toten pro 10.000 Menschen pro Tag schon über der Schwelle zur Hungersnot. IPC-Untersuchungen hatten zuvor eine Sterblichkeitsrate von 1,9 festgestellt, also leicht unter der Schwelle.
Da sich die Lebensbedingungen seitdem verschlechtert haben, sieht das Gremium eine Hungersnot jetzt als gegeben an, auch wenn detaillierte neue Erhebungen aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich sind. Satellitenaufnahmen belegen „eine überdurchschnittliche Zunahme der Anzahl von Gräbern neben den Camps des Lagers Zamzam“, heißt es.
Bis zu 100 Verhungernde am Tag an einem einzigen Ort – das ist sicherlich nur ein Teil der Realität. Der IPC-Bericht betont, es gebe andere Gebiete in derselben Lage, die aber noch nicht untersucht worden seien. Ende Juni hatte ein IPC-Ausblick für den Zeitraum bis September das Erreichen der Hungersnot-Stufe 5 für 750.000 Menschen in zehn Bundesstaaten prognostiziert: ganz Darfur und Kordofan sowie Blue Nile, Gezira und Khartum.
Belagerung und Blockaden
Die Verschlechterung der Gesamtlage seit Ende 2023 sei „erschreckend und rapide“. Da der Krieg in diesem Jahr kaum eine Aussaat erlaubt, befürchten Experten noch mehr Hunger für 2025. Von einem „ausgedehnten Zusammenbruch der Ernährungssicherheit quer durch das Land“ sprach im UN-Sicherheitsrat Stephen Omollo, Vizedirektor des UN-Welternährungsprogramms WFP.
Sudan hat rund 47 Millionen Einwohner, von denen laut UN über 25 Millionen in einer Hungerkrise stecken. Schon bei der Sudankonferenz in Paris im April war von bis zu zwei Millionen Hungertoten in Sudan in diesem Jahr die Rede. Sudans Regierung macht für die Lage in Zamzam die RSF-Belagerung von El Fasher verantwortlich. Hilfsorganisationen verweisen demgegenüber auf die Blockaden der Regierung gegen jede Hilfe von außen.
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