Hochstapler-Affäre in der AfD: Das bisschen Lüge
Falschangaben im Lebenslauf zweier Kandidaten für das EU-Parlament haben keine ernsthaften Konsequenzen. Die AfD lässt sie trotzdem zur Wahl antreten.
Ganz aktuell bestätigt sich das wieder: Sowohl empörte Basis-Mitglieder als auch zerknirschtes AfD-Spitzenpersonal beschäftigen sich derzeit mit einer parteiinternen Hochstapler-Affäre: Denn zwei Kandidaten der Europawahlliste haben falsche Angaben zu ihrem Lebenslauf gemacht.
Das bestätigte die Partei am Dienstagmittag nach einer mehrstündigen Bundesvorstandssitzung am späten Montagabend. Die Co-Bundessprecher Alice Weidel und Tino Chrupalla veröffentlichten mittags eine Mitteilung mit den Worten: „Die bereits bekannten mutmaßlichen Sachverhalte um die Kandidaten Bausemer und Khan-Hohloch wurden bestätigt. Zur Zeit der Bewerbungsreden lagen keine berufs- oder studienqualifizierenden Abschlüsse vor.“
Brisant dabei: Ernsthafte Konsequenzen für die Europaliste soll das keine haben. Eine Wiederholung des Parteitages wird seitens des Parteivorstands ausgeschlossen, wie es in der Mitteilung heißt. Im Klartext: Die Vorwürfe stimmen zwar, aber auf ihren aussichtsreichen Listenplätzen für das EU-Mandat dürfen die beiden Kandidat*innen trotzdem antreten – das bisschen Hochstapelei.
Wohl zur Beschwichtigung hält sich der Vorstand Ordnungsmaßnahmen gegen die beiden künftigen EU-Abgeordneten vor: „In den nächsten Tagen wird der Bundesvorstand über angemessene und geeignete Maßnahmen beraten, um dem erschütterten Vertrauen innerparteilich angemessen zu begegnen“, heißt es im Statement von Weidel und Chrupalla.
Bundesvorstand in Erklärungsnot
Es geht um Arno Bausemer, Listenplatz 10, Kandidat aus Sachsen-Anhalt, der über keinen Berufsabschluss verfügt, und Mary Khan-Hohloch, Listenplatz 14, die beim Antritt kein abgeschlossenes Studium gehabt haben soll. Beide hatten allerdings vor ihren Bewerbungsreden angegeben, dass sie über einen Abschluss verfügen.
Aus dem AfD-Vorstand war zu hören, dass Bausemer dem Vernehmen nach über gar keinen Berufsabschluss verfügt. Zu Khan-Hohloch heißt es, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Antrittsrede immerhin kurz vorm Abschluss ihres Studiums gewesen sei und mittlerweile wohl über ein Bachelor-Zeugnis verfüge. Beide errangen mit ihren Falschangaben einen aussichtsreichen Listenplatz für die EU-Wahl und wollen ein sehr gut bezahltes Mandat im Europaparlament erringen.
Weidel glänzt mit Abwesenheit
Auch verschiedene Bundesvorstandsmitglieder sind in Erklärungsnot, weil sie versucht haben, in der Angelegenheit Einfluss zu nehmen. Besonders pikant: Khan-Hohloch ist die Frau des Bundesschriftführers Dennis Hohloch. Und bei Arno Bausemer war der Bundesvorstand und EU-Spitzenkandidat Maximilian Krah involviert. Letzterer versuchte, mit Privatnachrichten Druck auf die Ex-Partnerin von Bausemer auszuüben, die Berichte zu dessen Falschangaben geteilt hatte.
Krah schrieb Bausemers Ex-Partnerin, dass auch ihr und der gemeinsamen Tochter Geld winke, falls der unterhaltspflichtige AfD-Politiker ins Parlament einzieht: Es sei in ihrem Interesse und der Tochter, dass Bausemer „ohne Beschädigung durchläuft“, schrieb Krah privat mit der Bitte „jeden Rosenkrieg einzustellen“. Das Nachrichtenportal t-online hatte über die Chatnachrichten berichtet. Die Ex-Partnerin, selbst AfD-Mitglied, gab sich enttäuscht: „Jetzt schieben sich die hohen Parteifunktionäre die Posten zu.“ Das sei nicht mehr die AfD, in die sie eingetreten sei, so die Ex-Partnerin desillusioniert.
Klar ist: Auch im Bezug auf den Bundesvorstand bleiben in dieser Angelegenheit Fragezeichen, denn auch Co-Vorsitzende Alice Weidel hat auf dem Parteitag für Khan-Hohloch Partei ergriffen, als erstmals Fragen zu ihrem Lebenslauf aufkamen. Nun jedoch glänzte sie durch Abwesenheit – wie so häufig bei Stress. Als der Bundesvorstand am Montag gleich sämtliche Lebensläufe der EU-Kandidaten prüfen wollte, weilte sie in Wien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene