Hochschulen in Hamburg: Unis forschen fürs Militär
Hamburgs Hochschulen entwickeln militärische U-Boote und Korvetten. Die Linke fordert eine Zivilklausel, die Grünen verlangen Selbstreflexion.
HAMBURG taz | Die Aufträge des Pentagon an Hamburger Hochschulen sind harmlos im Vergleich zu dem, was die Unis an Rüstungsforschung für deutsche Auftraggeber betreiben. Wie zwei Anfragen der grünen Bürgerschaftsfraktion an den Hamburger Senat ergaben, handelt es sich bei den Aufträgen aus den USA tatsächlich um Grundlagenforschung.
Bei Projekten mit deutschen Finanziers ging es dagegen konkret um U-Boote, Korvetten und Fregatten. Die Linksfraktion der Bürgerschaft hat beantragt, diese Aktivitäten mit Hilfe von Zivilklauseln für die Hochschulen zu unterbinden. Die Grünen halten dies Instrument für „zu schwach“ und fordern stattdessen, alle Forschungsvorhaben offenzulegen.
Dass deutsche Forschungseinrichtungen vom US-amerikanischen Militär Geld bekommen haben, ist vor gut drei Wochen bekannt geworden. Verbunden damit waren Befürchtungen, WissenschaftlerInnen der Universität und des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) könnten den mit zweifelhaften Mitteln ausgetragenen Krieg gegen den Terror unterstützt haben. Auf die Nachfrage der Grünen hin hat der Senat jetzt die Projekte genauer beschrieben.
Bei einem Projekt der Universität ging es darum, wie sich ein Störfall mit Schadstoffen in der Luft computergestützt managen lässt. Ein anderes Vorhaben sollte es ermöglichen, die Eruptionen bei Vulkanausbrüchen besser vorherzusagen, um den Flugverkehr möglichst wenig einschränken zu müssen.
Die TU Harburg erforschte mit US-Geld die Leitfähigkeit von Aerographit, eines neuen Werkstoffs für Batterien und Brennstoffzellen. Das UKE lieferte der US-Armee Simulationsgeräte für Hals-Nasen-Ohren-Operationen und erforschte die Neurofibromatose, eine Tumorerkrankung.
Lithium-Akku für die Drohne?
Klingen diese Projekte zivil, sieht es bei den Aufträgen aus Deutschland ganz anders aus. So bestellte die Wehrtechnische Dienststelle der Bundeswehr bei der Uni ein Unterwasser-Horchgerät. Die TU Harburg erhielt von Unternehmen wie Thyssen-Krupp und Rheinmetall Aufträge zum Manövrieren von U-Booten, außerdem hat sich die Uni vielfach mit dem Entwerfen von Fregatten und Korvetten befasst.
Die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Eva Gümbel findet schon die amerikanischen Aufträge problematisch genug. Eine militärische Verwertung angeblicher Grundlagenforschung sei nie auszuschließen, sagt sie. Wer könne schließlich garantieren, dass ein besonders leichter Lithium-Akku nicht in einer militärischen Drohne eingesetzt werde?
Die Grünen wollen die Hochschulen zwingen, ihre Forschungsvorhaben offenzulegen, um eine Diskussion zu ermöglichen. Zudem sollten sich die Hochschulen Ethikräte schaffen, um die Folgen ihrer Wissenschaft zu reflektieren. Eine Zivilklausel, die eine Forschung und Lehre zu friedlichen Zwecken vorschreibt, sei ungeeignet.
Die Uni Bremen hat eine Zivilklausel 1986 im Sinne einer Selbstverpflichtung eingeführt. Dennoch ist weiterhin mit Rüstungsfirmen an militärischen Projekten geforscht worden. 2012 hat die Uni ihr Bekenntnis erneuert.
"Harte" Sanktionsmöglichkeiten gibt es nicht - denn Artikel 5 des Grundgesetzes garantiert die unbedingte Freiheit der Forschung und Lehre.
Dubiose Drittmittel
„Die Zivilklausel war mal ein scharfes Schwert“, findet Gümbel. Das habe sich geändert, wie das Beispiel Bremens zeige. Seitdem die Hochschulen, durchaus im Sinne der Grünen, autonom geworden seien und ihre Budgets selbst aufteilen könnten, habe die Bürgerschaft keine direkte Steuerungsmöglichkeit mehr. Eine Hochschule brauche daher „zwingend eine Instanz, die sich damit auseinandersetzt: Was darf ich erforschen?“.
Die Linke fordert eine Zivilklausel, deren Einhaltung systematisch kontrolliert werden müsse. Die Hochschulen seien so auszustatten, dass sie keine dubiosen Drittmittel einwerben müssten. Die Stadt dürfe nur friedliche Projekte fördern.
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