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Hoch­radioaktiver AtommüllStandorte für Endlager weiter eingegrenzt

Fast ein Fünftel der für hoch­radioaktiven Atommüll diskutierten Gebiete ist aus dem Rennen. Brandenburg und Bayern können aufatmen.

Wo sollen die nur alle hin? Castorbehälter mit Atommüll im Zwischenlager in Philippsburg Foto: Uli Deck/dpa

Göttingen taz | Die für den Bau eines Atommüllendlagers infrage kommende Fläche ist ein wenig geschrumpft. In einem am Montag veröffentlichten Bericht stuft die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) 13 der insgesamt 90 zuvor benannten Teilgebiete in die Kategorien C oder D ein. Das heißt: Sie sind voraussichtlich aus dem Rennen. Im Herbst 2020 hatte die BGE 54 Prozent der Landesfläche als potenziell endlagertauglich bewertet, diese Fläche wurde nun um knapp 18 Prozent reduziert.

Bei den wahrscheinlich aus dem Verfahren fliegenden Gebieten handelt es sich um vier unterirdische Gebiete mit Tongestein in Bayern und Brandenburg, die teilweise auch in benachbarte Bundesländer hineinreichen. Vier weitere sich jeweils über mehrere Bundesländer erstreckende Regionen mit Kristallingestein (Granit) scheiden ebenfalls aus, sowie fünf überwiegend in Norddeutschland liegende flache Steinsalzformationen. Alle anderen der ursprünglich 90 Teilgebiete hat die BGE eigenen Angaben zufolge noch nicht bewertet. Sie befänden sich „entsprechend weiterhin im Prüfprozess“.

Die veröffentlichten Arbeitsstände sind noch keine verbindlichen Ergebnisse, betont die BGE. Erst Ende 2027 will das bundeseigene Unternehmen Standortregionen für die übertägige Erkundung vorschlagen – wie viele, das steht noch nicht fest. Dieser Vorschlag wird dann vom Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) geprüft, Wissenschaft und Öffentlichkeit sollen durch das BASE beteiligt werden. Die endgültige Entscheidung trifft der Bundestag.

„Wir suchen in einem wissenschaftsbasierten Verfahren den Standort mit der bestmöglichen Sicherheit“, betont Lisa Seidel, Bereichsleiterin Standortauswahl bei der BGE. „Daher setzen wir die Sicherheitsanforderungen für die Gebiete mit jedem Prüfschritt ein bisschen höher. Gebiete, die eine Hürde nicht überspringen, werden nicht weiterbearbeitet.“ So nähere sich die BGE Schritt für Schritt den Regionen mit der bestmöglichen Sicherheit.

Standortentscheidung erst 2074

In das Endlager sollen insgesamt rund 27.000 Kubikmeter hochradioaktiver Müll in knapp 1.800 Castor-Behältern gebracht werden. Bei den Abfällen handelte es sich um abgebrannte Brennstäbe aus den Atomkraftwerken und um stark strahlende Rückstände aus der Wiederaufarbeitung. Dieser Atommüll lagert derzeit dezentral in 16 Zwischenlagern.

Laut Gesetz soll der Standort für das Endlager bis 2031 feststehen. Die BGE hatte kürzlich eingeräumt, dass der Standort frühestens 2046 feststehen wird. Ein anderes Szenario sieht einen Zeitkorridor bis 2068 vor. In einer vom BASE beauftragten Untersuchung des Öko-Instituts heißt es sogar, dass unter „idealen Bedingungen“ frühestens 2074 mit einer Standortentscheidung zu rechnen sei – das wäre 43 Jahre später als ursprünglich anvisiert.

Für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle baut die BGE derzeit das ehemalige Eisenbergwerk Schacht Konrad in Salzgitter um. Allerdings wird die 2022 erteilte Baugenehmigung aktuell von Umweltverbänden beklagt.

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9 Kommentare

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  • Atomminister F J Strauss hat ins erste Atomgesetz geschrieben, dass kein Atom Kraftwerk ans Netz geht, bis die Endlagerung geregelt ist.



    Stimmt hier was nicht?

  • Keine Sorge: Die Stromkunden zahlen auch diese Zeche. Deswegen wird es auch nie was werden, mit "günstigen Strom" heizen und so ....

  • Es grenzt schon irgendwie an Wahnsinn, dass diese Entscheidung jetzt bis 2074 vertröstet wird (nach mir die Sintflut), aber sich schon wieder für den Bau weiterer Kraftwerke ausgesprochen wird.

  • Bis 2074 weiter mit dem Castor-Provisorium? Nur wenn die Verantwortlichen die Versicherung übernehmen, persönlich. Sprich alle Stromkonzerne und die Verwaltung in die Haftung.

  • Die CSU will Atommüll ja nur weiter produzieren, nicht für die Lagerung zuständig sein. Glück gehabt, aber mal ehrlich: wer will ein CSU-geführtes Endlager, am besten ein Rentenpöstchen für den Scheuer-Andy. Ne, das sollen mal lieber die Nicht-Amigos machen.

  • WAS kann dabei SOO lange dauern??



    Ist die Qualität und Dichte der geologischen Information zwischen den Bundesländern vergleichbar? Oder kommt das BL mit den wenigsten Bohrungen "besser weg", weil keine Infos vorliegen?



    Dann wird's also doch Niedersachsen wegen der vielen Öl & Gas-Bohrungen..



    Und übrigens:



    Bayern ist nur teilweise raus, eine große Fläche ist noch nicht bewertet:



    navigator.bge.de/p...n-standortregionen

  • Zynisch gesagt, kann es mit der Gefahr durch hochradioaktive Abfälle ja nicht so wild sein, wenn Deutschland offensichtlich nicht vorhat, sie noch in diesem Jahrhundert unter die Erde zu schaffen. Darum bleiben die Castoren halt einfach weiter in der Gegend stehen. Geschützt durch Zäune! Mal sehen, mit welchen Tricks ihre in naher Zukunft erlöschende Nutzungsgenehmigung verlängert wird. Die AKW-Kritiker scheinen damit recht zufrieden. Aber wehe, so ein Behälter muss aus logistischen Gründen mal wieder von A nach B gekarrt werden. Dann gibt’s Widerstand!

  • Da ein Endlager eh Illusorisch ist, warum nicht einfach ein fliegender Wechsel? Mal muss Bayern 10 Jahre den Müll lagern, dann Baden-Würtemberg, die Pfalz usw.



    Geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid.

    • @Platanebanane:

      Gute Idee! Und die jeweiligen Parteivorstände stehen dann persönlich Wache vor den Containeren. Eine vergnügliche Perspektive....