Grab für strahlende Abfälle: Atommüll-Endlager bleibt genehmigt
Ist radioaktiver Müll in Schacht Konrad für immer gut aufgehoben? Eigentlich nicht, findet selbst die Landesregierung. Gebaut wird trotzdem.
Schacht Konrad ist ein ehemaliges Eisenbergwerk bei Salzgitter. Es war nur 12 Jahre in Betrieb und wurde 1976 geschlossen, der Erzabbau lohnte nicht mehr. Danach ließ die Bundesregierung untersuchen, ob sich die Schachtanlage als Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle eignet.
Schwach- und mittelradioaktiver Abfälle machen den allergrößten Anteil – rund 95 Prozent – am Gesamtvolumen des Atommülls in Deutschland aus. Aktuell befinden sich rund 120.000 Kubikmeter solcher Abfälle in hiesigen Zwischenlagern. Sie stammen aus der Medizin, der Forschung, der Industrie, aber auch aus dem Betrieb und der Stilllegung von Atomkraftwerken – dazu gehören kontaminierte Anlagenteile, Schutzkleidung oder Geräte.
Die abgebrannten Brennelemente aus den AKWs sind dagegen hochradioaktiv und werden getrennt gelagert. Die Suche nach einem geeigneten Endlager für diese besonders stark strahlenden Abfälle dürfte nach Informationen des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung noch 50 Jahre dauern.
Genehmigung von 2002
Für Schacht Konrad startete das Genehmigungsverfahren als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Müll 1982. Mehr als 70 Behörden und Naturschutzverbände wurden um Stellungnahmen gebeten, rund 290.000 Bürger erhoben Einwendungen. Im Mai 2002 erteilte das Land Niedersachsen die Baugenehmigung, Klagen von Kommunen, Kirchen und Privatpersonen scheiterten. Im Mai 2021 beantragten BUND und Nabu, unterstützt von einem Protestbündnis, beim Land Niedersachsen, erneut, den Planfeststellungsbeschluss – also die Bau- und Betriebserlaubnis – zurückzunehmen beziehungsweise zu widerrufen und den Bau zu stoppen.
Sie verwiesen darauf, dass Schacht Konrad auf veralteten Planungen beruhe, die nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprächen. In einem vorläufigen Bescheid lehnte Landesumweltminister Christian Meyer (Grüne) die Anträge im Dezember 2023 ab. Gegen diesen Bescheid gingen die Umweltverbände mit einer neuerlichen ausführlichen Stellungnahme vor.
An seiner kritischen Haltung und derjenigen der rot-grünen Landesregierung, sich ohne einen bundesweiten Standortvergleich auf ein Endlager Schacht Konrad festzulegen, ändere seine Entscheidung nichts, betonte Meyer am Freitag. Der Antrag der Umweltverbände sei aber nicht politisch, sondern rechtlich zu prüfen gewesen. Es habe beurteilt werden müssen, „ob es 22 Jahre später ausreichende Gründe gibt, die damalige Genehmigung zu widerrufen oder zurückzunehmen“.
Es kann noch weitergehen
Die von den Verbänden vorgebrachten Punkte hätten aber zu keinem anderen Ergebnis geführt als im vergangenen Dezember, sagte Meyer. Die Anträge würden als unzulässig beziehungsweise unbegründet bewertet. Gegen den Bescheid können die Umweltverbände nun aber erneut Rechtsmittel einlegen.
Ob sie dies tun werden, sei noch offen, sagte BUND-Landesgeschäftsführerin Tonja Mannstedt auf Anfrage. Aus ihrer Sicht seien die rechtlichen Voraussetzungen sehr wohl gegeben, den Planfeststellungsbeschluss widerrufen zu können. Schacht Konrad sei als Lager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll ungeeignet, eine Langzeitsicherheit nicht gegeben. „Radioaktive Abfälle in eine alte Eisenerzgrube zu bringen, ohne Rückholbarkeit oder Reversibilität zu gewährleisten und ohne genaue Kenntnis der geologischen Verhältnisse, ist unverantwortlich gegenüber künftigen Generationen“, betonte Mannstedt. Die Entscheidung des Ministeriums sei daher nicht nachzuvollziehen.
Das Endlager Schacht Konrad soll bis zu 303.000 Kubikmeter Atommüll aufnehmen. Das ist allerdings zu wenig. Für die Abfälle aus dem havarierten Atommülllager Asse und die Rückstände aus der Urananreicherung wäre in der Grube kein Platz.
Kürzlich war zudem bekannt geworden, dass das Endlager noch einmal teurer und später fertig wird als geplant. Statt wie zuletzt mit rund 4,4 Milliarden rechnet die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) als Bauherr und künftiger Betreiber jetzt mit Kosten in Höhe von 5,47 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr hatte die BGE auch weitere Verzögerungen beim Bau eingeräumt. Nicht 2027, sondern wohl frühestens 2029 kann das Endlager demnach fertiggestellt sein. Seit Jahrzehnten wehrt sich eine breite Allianz gegen das Endlager, die von Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) über das Landvolk bis zur IG Metall reicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen