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Hitzehilfe für Obdachlose in BerlinNicht mehr als der berühmte Tropfen

Uta Schleiermacher
Kommentar von Uta Schleiermacher

Menschen ohne Wohnung sind der Hitze ausgeliefert. Wir alle können mit Aufmerksamkeit Not lindern – aber wirklich helfen werden nur mehr Wohnungen.

Obdachlose leiden nicht nur unter Kälte, sondern auch unter Hitze: Die Anlaufstelle der Hitzehilfe Foto: dpa

D ie Klimakrise mit ihren vermehrten Hitzewellen zeigt auf brutale Art, wie bedrohlich die Sommersonne sein kann – besonders für diejenigen, die nicht jederzeit Schutz in einer eigenen Wohnung suchen können. Deshalb ist es gut, dass der Berliner Senat diese Woche eine Unterkunft als „Hitzehilfe“ eröffnet hat.

Rund 45 obdachlose Menschen können in Schöneberg tagsüber die Normalität erleben, die für alle mit eigener Wohnung selbstverständlich ist: Duschen, Wäsche waschen, kühlende Getränke trinken oder sich für ein paar Stunden in einem Bett ausstrecken und ausruhen.

Die Politik will mit der Unterkunft die Härten von Obdachlosigkeit im Sommer lindern – und dabei auch Erfahrungen sammeln zu der Frage, was Obdachlose im Sommer brauchen. Dass die Politik dies nun angeht, ist überfällig. Denn Hitzewellen sind nicht erst seit diesem Sommer ein Problem. Und dass der Senat in einem Modellprojekt nun mehr über die Bedarfe herausfinden will, ist zwar löblich, wirkt aber fast etwas simpel.

Denn Erfahrungen hat die Stadt ja bereits mit den 24/7-Unterkünften gesammelt, und das Wissen darum, was bei Obdachlosigkeit kurzfristig hilft, ist längst da. Das zeigt auch der Erfolg der Hitzehilfe, die vom ersten Tag an sehr gut besucht war. Mit der einen Unterkunft erreicht das Land allerdings nur einen Bruchteil jener Menschen, die in Berlin auf der Straße leben.

Eine Wasserflasche ist schnell gereicht – aber Wohnungen gerechter zu verteilen, verlangt noch mal eine ganz andere Art von Solidarität

Weiter reicht das Geld wohl auch gar nicht: Im Haushalt sei kein Posten für Hitzehilfe vorgesehen; die Unterkunft könne sie nur über Mittel für den Masterplan gegen Obdachlosigkeit finanzieren, erklärte Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) zur Eröffnung der Unterkunft. Es sei auch nicht möglich, die Kältehilfe mit all ihren gewachsenen und ehrenamtlichen Strukturen eins zu eins auf die Sommermonate zu übertragen.

Das ist richtig. Richtig ist aber auch, dass die Maßnahmen der Hitzehilfe so wie auch die Kältehilfe nur Symptome lindern und wenig an den Strukturen rütteln. Zwar erleichtern Angebote wie die Hitzehilfe Kontakte zu obdachlosen Menschen und helfen dabei, die Schwelle in andere Hilfesysteme zu überwinden. Doch die Maßnahme, die wirklich strukturell etwas an Obdachlosigkeit ändert, ist Housing First: der bedingungslose Zugang zu einer eigenen Wohnung.

Auch Kipping muss Wohnungen erkämpfen

Hier muss Kipping noch mehr Druck machen – um den Vermietern Wohnungen abzutrotzen und um die bereits erstrittenen Wohnungen in der Habersaathstraße zu verteidigen. Die Hitzehilfe wäre ein guter Anlass gewesen, dies noch mal zu betonen. Denn mit der Unterkunft will die Sozialsenatorin auch die Stadtgesellschaft dafür sensibilisieren, dass nicht nur Kälte gefährlich sein kann. Alle seien gefragt, auf Mitmenschen zu achten und sie gegebenenfalls anzusprechen, sagt Kipping.

Auch das ist richtig und wichtig. Wer denkt, dass jemand Hilfe braucht, kann Wasser anbieten oder die Hotline der Hitzehilfe unter 0157 8059 7870 benachrichtigen. Doch auch das fällt in den Bereich der Linderung. Langfristig werden nur Wohnungen helfen. Darauf sollte Kipping die Stadtgesellschaft ebenfalls vorbereiten. Denn eine Wasserflasche ist schnell gereicht – aber Wohnungen gerechter zu verteilen, verlangt noch mal eine ganz andere Art von Solidarität.

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Uta Schleiermacher
Redakteurin für Bildung und Feminismus in der taz-Berlin-Redaktion
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1 Kommentar

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  • Wie verteilt man zu wenige Wohnungen gerecht? Welche Kriterien bei der Verteilung sind so akzeptiert, dass auch diejenigen, die ohne Wohnung bleiben, dies begrüßen?