Hilferuf einer Prinzessin: Des Scheichs Stinkefinger
Neu veröffentlichte Videos zeigen Prinzessin Latifa aus Dubai. Einen Beweis, dass sie noch am Leben ist, bleibt ihre Familie aber schuldig.
Die Geschichte klingt zunächst wie erfunden: Da flieht eine Prinzessin vor ihrem herrischen Vater, doch die Häscher des Königs fangen sie ein, schleppen sie zurück und sperren sie in ein Schloss, ohne Kontakt zur Außenwelt. Nur über Umwege gelingt es der Prinzessin, ein Lebenszeichen nach draußen zu senden.
Was sich ein Wilhelm Hauff für seine orientalistischen Märchen klischeehafter kaum hätte ausmalen können, ist offenbar tatsächlich geschehen: Opfer dieses grotesken Menschenrechtsverbrechens ist die 35-jährige Prinzessin Latifa, Tochter des Emirs von Dubai, einem der halbautonomen Zwergstaaten der Vereinigten Arabischen Emirate.
Mohammed bin Raschid Al Maktum, hier in der Rolle des bösen Papas, ist jener einst international so bewunderte „Scheich Mo“, der Business-Emir, der den Stadtstaat Dubai mit spektakulären Bauvorhaben wie dem Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Welt, zu einer Marke mit globaler Anziehungskraft gemacht hat.
Während die Investoren lange ganz von selbst kamen, scheinen Mos Familienmitglieder ganz von selbst Reißaus zu nehmen: 2019 floh eine der Frauen des Emirs mit zwei Kindern nach Großbritannien, wo sie die Scheidung einreichte und auch bis heute lebt. Im Jahr 2000 schon wurde Latifas ältere Schwester Schamsa aus Cambridge entführt und vermutlich zurück in die Emirate gebracht. Seitdem hat man nichts mehr von ihr gehört.
Video aus dem Bad
Letzte Woche nun sorgte der Fall Latifa, der schon nach ihrem gescheiterten Fluchtversuch aus Dubai 2018 bekannt wurde, erneut für Schlagzeilen, nachdem der BBC Videoaufnahmen zugespielt wurden, die schon vor längerer Zeit aufgenommen worden sein sollen. Darin schildert Latifa hinter verschlossener Badezimmertür, was nach ihrer Flucht geschah, wie sie in Gefangenschaft in einer Villa lebt, die rund um die Uhr bewacht wird. Wie sie um ihr Leben fürchtet.
Scheich Mos ultimativer Stinkefinger aber ist noch ein anderer: Als wäre der Skandal für sich nicht schon ungeheuerlich genug, ließ sich die Herrscherfamilie volle drei Tage Zeit, bis sie sich überhaupt dazu äußerte. Erst am Freitagnachmittag ließ sie verlauten, um Latifa „werde sich zu Hause gekümmert“, die Berichte entsprächen nicht der Situation und hoffentlich werde sich die Prinzessin bald wieder öffentlich zeigen.
Fast wortgleich hatte sich die Familie schon vor zwei Jahren geäußert. Forderungen der UN und von internationalen Menschenrechtsorganisationen nach einem Beweis, dass die Prinzessin überhaupt noch am Leben ist, ignoriert sie hartnäckig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül