Heuschrecken vernichten Ernte: Allesfresser plündern Ostafrika
Kenia leidet unter der schlimmsten Heuschreckenplage seit 70 Jahren. Die Angst ist groß, dass solche Phänomene durch den Klimawandel zunehmen.
„Gestern sah mein Mais dank der regenreichen Jahreszeit immer noch wunderschön aus. Jetzt habe ich nur noch nackte Stiele auf meinem Feld“, sagt Elisepha Kivuta aus Kitui, einer Region rund 150 Kilometer östlich der kenianischen Hauptstadt Nairobi.
Die Seuche der Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria) ist die schlimmste seit siebzig Jahren in Kenia. In Somalia und Äthiopien gab es die letzte Invasion in diesem Ausmaß vor 25 Jahren. Somalia hat den Ausnahmezustand ausgerufen. Es wird erwartet, dass weitere Länder folgen. Inzwischen ziehen die Heuschreckenschwärme auch bis nach Uganda und in den Südsudan, wo fast die Hälfte der Bevölkerung kriegsbedingt bereits über zu wenig Nahrung verfügt.
Die Bevölkerung in den betroffenen Ländern führt dies auf den Klimawandel zurück. „Seit zehn Jahren wissen wir nicht, wann wir säen und pflanzen sollen. Das Wetter ist jedes Jahr anders. Nach viel Trockenheit regnet es jetzt viel und plötzlich kommen die Heuschrecken“, bemerkt Bäuerin Kivuta. Ähnliche Kommentare sind auch in anderen Ländern zu hören.
Blitzvermehrung bei Regen
Die Wüstenheuschrecken legen ihre Eier in feuchte Erde, damit sie nicht austrocknen. Wenn in ihrer sonst trockenen Umgebung viel Regen fällt, beginnen sich die Tiere blitzschnell zu vermehren. Wenn die Brut nach zwischen vier und sechs Wochen schlüpft, gibt es für die Heuschrecken wegen des Regens viel zu essen. Sobald es zu viele Wüstenheuschrecken an einem Ort gibt und die Umgebung kahl gefressen ist, suchen sie gemeinsam nach neuen Futterplätzen. Dort setzen sie ihr schnelles Vermehrungsverhalten fort.
Abubakr Salih Babiker, sudanesischer Klimaexperte der IGAD, des ostafrikanischen Handelsblocks von acht Ländern, gibt der Erwärmung im Indischen Ozean die Schuld. „Die Erwärmung der Gewässer entlang der ostafrikanischen Küste im vergangenen Jahr führte zu ungewöhnlichen tropischen Wirbelstürmen in der Region. Der darauffolgende starke Regen hat den Wüstenheuschrecken hervorragende Brutbedingungen geboten.“
Ostafrika leidet normalerweise nicht unter Wirbelstürmen, und wenn sie die Region treffen, gibt es nicht mehr als ein oder zwei pro Jahr. Im vergangenen Jahr waren es acht. Diese verursachten nicht nur eine viel längere, sondern auch intensivere Regenzeit. Und das, obwohl die Region in den letzten zwanzig Jahren immer mehr von anhaltenden Dürren heimgesucht wurde.
Einzelgänger werden zur Plage
Wüstenheuschrecken sind unter normalen Umständen Einzelgänger. Als im vergangenen Jahr jedoch viel Regen in der Wüste von Oman fiel, stellten sich perfekte Bedingungen für die Heuschrecken ein. Sobald sie zu großen Schwärmen herangewachsen waren, breiteten sie sich im Jemen aus und überquerten den Golf von Aden nach Ostafrika.
Ein durchschnittlicher Schwarm Wüstenheuschrecken hat laut IGAD derzeit rund 150 Millionen Tiere pro Quadratkilometer. Die Organisation berichtet, dass ein solcher Schwarm an einem Tag eine Ernte fressen kann, die etwa 2.500 Menschen ernähren könnte. Die Insekten fressen fast alles, bevorzugen jedoch Hirse, Reis, Gras, Zuckerrohr und Mais.
Kurz gesagt, die Schwärme stellen eine große Bedrohung für die Ernährungssituation dar. Das Vieh stirbt an einem Mangel an Gras, was wiederum zu Armut unter den Viehnomaden führt. Während sich die Welt Sorgen um das Coronavirus macht, ist in Ost-Afrika das Schlagwort: Klimawandel.
Einsatz von Pestiziden
Die kenianische Regierung behauptet, sie habe die Kontrolle über die Invasion, obwohl 15 der 47 Bezirken seitdem von den Heuschrecken betroffen sind. Sie hat insgesamt fünf Flugzeuge zum Versprühen von Pestiziden eingesetzt. Dadurch werden die Wüstenheuschrecken nicht selbst getötet, sondern die Eier zerstört. Vier Hubschrauber suchen die Schwärme. Somalia und der Südsudan werden durch die Bürgerkriege in ihren Ländern an der Bekämpfung gehindert.
Die UN-Ernährungsorganisation FAO schätzt, dass Kenia, Äthiopien und Somalia rund 70 Millionen Euro benötigen für die Bekämpfung. Ein Ende der Plage ist kurzfristig nicht abzusehen. Es muss zunächst einige Monate trocken bleiben, damit die Wüstenheuschrecken weniger Nahrung haben und zu ihrem normalen Lebensstil zurückkehren. Es wird erwartet, dass die Plage erst im Juni unter Kontrolle gebracht werden kann.
Die Angst ist groß, dass bedingt durch den Klimawandel noch mehr Seuchen Einzug halten könnten. Seit drei Jahren kämpfen Bauern in über der Hälfte des Kontinents mit einer Wurmplage. Die Wissenschaftler Elias Ayuk (Kamerun) und Ngozi Unuigbe (Nigeria) stellen in ihrem Buch „New Frontiers in Natural Resource Management in Africa“ fest, dass „Ausbreitung, Entwicklung und Populationsdynamik von Insektenplagen das direkte Ergebnis des Klimawandels ist. Es hilft bei der Verbreitung einheimischer und exotischer Arten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“