Heils Ankündigungen zum „Bürgergeld“: Mit Armut spielt man nicht
Sozialminister Heil verspricht Hartz-IV-Empfänger:innen 50 Euro mehr im Monat. Finanzminister Lindner tritt jedoch auf die Bremse.
D er Sound der Debatte stimmt nachdenklich: Sozialminister Hubertus Heil (SPD) kündigt in einem Zeitungsinterview eine Reform der Hartz-IV-Leistungen zum sogenannten Bürgergeld an. Alles soll neu berechnet werden, am Ende sollen Hartz-IV-Empfänger:innen 40 bis 50 Euro mehr im Monat erhalten. FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner lehnt den Vorschlag umgehend ab und erklärt an die Adresse von Heil, er sei „auf die Finanzierungsideen“ gespannt.
Es ist, als sei die Finanzierung des Sozialen eben Sache des Sozialministers und ein Finanzminister nicht dafür verantwortlich zu machen. Man kommt, schematisch gerechnet, auf 14 Milliarden Euro zusätzliche Kosten, wenn man die Regelleistungen um 10 Prozent erhöht. Im Heil-Ministerium heißt es jetzt, die konkrete Ausgestaltung des Bürgergelds bleibe „abzuwarten“. Ursprünglich war von einem Gesetzentwurf noch im Sommer die Rede gewesen.
Reine Armutsdebatten haben es derzeit schwer. Inzwischen fordern auch die Mittelschichtmilieus staatliche Hilfen als Ausgleich für die Preissteigerungen. So viel Kompensation gab es noch nie: Heizkostenzuschuss, Energiepreispauschale, Tankrabatt, 9-Euro-Ticket, Einmalzahlung, Sofortzuschlag, Klimageld, Bürgergeld.
Mit der Notlage der über fünf Millionen Menschen im Hartz-IV-Bezug darf man aber politisch nicht herumspielen. 50 Euro mehr im Monat machen eine Menge aus für erwerbslose, kranke und alte Menschen in Grundsicherung. Auf Ankündigungen müssen spürbare Verbesserungen folgen. Stattdessen droht die Sozialpolitik der Ampel zu einem traurigen Ritual zu verkommen.
SPD-Sozialminister Hubertus Heil stellt mehr Geld für die Armen in Aussicht und FDP-Finanzminister Christian Lindner schmettert dies als Hüter der Haushaltskassen ab. Es geht hin und her. Beide Minister stehen vor ihren Parteien gut da. Ansonsten passiert nur wenig. Ein Armutszeugnis wäre das – buchstäblich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär