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Haushaltskrise aus Auslands-SichtDeutschland wieder auf Sonderweg

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Das Sparideal der Bundesregierung sorgt im Ausland für Kopfschütteln. Dazu gesellt sich eine zunehmende Entfremdung in der Außenpolitik.

Das zum deutschen Sparideal erhobene Leitbild der „schwäbischen Hausfrau“ wirkt, aus dem Ausland betrachtet, provinziell Foto: bonn-sequenz/imago

A m Mittwoch sind die Spitzen der Ampel auseinandergegangen, ohne zu verraten, wie sie die Löcher in ihrem Haushalt stopfen wollen, die durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerissen wurden. Die Zitterpartie geht also weiter. Das muss den Menschen und der Wirtschaft nicht nur hierzulande Sorgen machen, sondern auch im Rest Europas und der Welt. Deutschland ist, als größte Volkswirtschaft des Kontinents, der Motor der europäischen Entwicklung. Stockt dieser Motor, schlägt das auch auf unsere Nachbar- und Partnerländer durch.

Dort versteht man die Deutschen und ihre Marotten immer weniger. Das zum deutschen Sparideal erhobene Leitbild der „schwäbischen Hausfrau“ wirkt, aus dem Ausland betrachtet, bestenfalls provinziell. Selbst die Financial Times und Bloomberg, wahrlich keine linksradikalen Träumer, warnen inzwischen vor dem deutschen Übereifer beim Sparen und halten die Schuldenbremse für eine „schlechte Idee“.

Nun versteht man besser, warum die Ökonomen Joseph Stiglitz und Adam Tooze schon vor zwei Jahren, als die Ampel gerade antrat, FDP-Chef Christian Lindner zum gefährlichsten Mann Europas erklärten und davor warnten, ihm sein Schlüsselressort der Finanzpolitik anzuvertrauen. Denn hinter dem modischen Dreitagebart und im schnittigen Anzug steckt fiskalpolitischer Starrsinn. Dieser steht jetzt dringend benötigten Investitionen in die Infrastruktur, den Klimaschutz und die Bildung, und damit dem Fortschritt in diesem Land im Weg.

Leider hat die Union, auf deren Betreiben hin die Schuldenbremse einst ins Grundgesetz geschrieben wurde, keine alternative Vision anzubieten: Sie will an der fatalen Bremse festhalten und schlägt vor, beim Bürgergeld, der Kindergrundsicherung und den Sozialleistungen zu sparen – nicht gerade ein Lockangebot an die SPD, ihre Koalitionspartner zu wechseln.

Weiter durchwurschteln

Der Etat des Verteidigungsministeriums, immerhin der zweitgrößte Posten im Haushalt, ist dagegen auch für die Union tabu. Deshalb wird sich die Koalition vermutlich weiter durchwurschteln und einen Weg finden, über Sonderfonds und andere Tricks ihren Haushalt zu retten. Ein Aufbruch sieht anders aus, und diese unsolidarische Sparpolitik wird, so steht es zu befürchten, europaweit jene rechten Populisten weiter beflügeln, die ihre jeweiligen nationalen Interessen an erste Stelle setzen. Der Erfolg eines Geert Wilders ist dafür nur das letzte Beispiel.

Auch außenpolitisch entfremdet sich Deutschland immer mehr von seinen Partnern. Während Außenministerin Baerbock im hohen moralischen Ton die russische Kriegsführung zu Recht anprangert und für eine weitere militärische Unterstützung der Ukraine wirbt, findet sie angesichts von Tod und Zerstörung im Gazastreifen kaum Worte. Andere europäische Länder und sogar die USA gehen inzwischen stärker auf Distanz zur Kriegsführung der israelischen Regierung als Deutschland, das weiter den Schulterschluss sucht. Zum ökonomischen Sonderweg gesellt sich die außenpolitische Isolation: düstere Aussichten für Deutschlands Rolle in der Welt.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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9 Kommentare

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  • Das Urteil des BVerfG kommt der FDP für ihre politische Agenda gerade recht, jetzt kann unter Hinweis auf Schuldenbremse und Haushaltsloch munter am Sozialen und an den ohnehin nie gewollten Investitionen in den Klimaschutz herumgeschnibbelt werden.



    Der Hinweis auf die kommenden Generationen ist dabei an Scheinheiligkeit kaum zu toppen. Ob diese die schwarze Null und die niedrige Zinslast im Haushalt goutieren, wenn gleichzeitig Bildung, Infrastruktur, zukunftssichere Jobs und Energiegewinnung auf den Hund kommen bzw. auf diesem bleiben?



    Erstaunlicherweise scheint das Defizit Chinesen und Amerikaner weniger zu beeindrucken, wird hier in Sache Investitionen doch geklotzt statt gekleckert.

    • @Bambus05:

      Hatte die FDP eine 2/3 Mehrheit als das Grundgesetz geändert wurde?

  • Auf Kosten unserer Kinder und ungeborenen Kindeskinder können wir nur nicht alle Kosten abwälzen. Regieren heißt Verantwortung zu übernehmen... für alle Generationen!

    Und genau hier versagt die Ampel. Ich finde es verantwortungslos im Hier und Jetzt das Geld mit vollen Händen auszugeben, als gäbe es kein Morgen mehr, um dann jedoch den Notstand auszurufen und Deutschlands Zukunft zu verspielen. Eine gerechte Lastenteilung sieht anders aus...

    Aus der Perspektive von vielen, die jedoch keine Leister in Deutschland, sondern ihr Leben lang nur Nehmer sind, wirkt eine solche Sichtweise vielleicht befremdlich.

    Deutschland kann sich einen überbordenden Sozialstaat nicht mehr leisten. Wir haben ein Ausgaben und kein Einnahmeproblem.



    Und Geld war der Kitt der Ampel. Geld was jetzt nicht mehr da ist. Und das ist gut so.

    • @Mike Lehmann:

      Ich finde es hingegen verantwortunglos, den Preis für die Austeritätspolitik zu verschweigen: Unzureichende Infrastruktur, ein Auseinanderbrechen der Gesellschaft und das Zerstören der Lebensgrundlagen weltweit. Wir können die Lösung der diversen Probleme genauso wenig auf unsere Kinder und Kindeskinder abwälzen.

    • @Mike Lehmann:

      Man kann ja auch mal mit gerechten Löhnen die zu einer annehmbaren Rente führen anfangen. 30% der Sozialleistungen fallen im Bereich Alter an. Der Größte Posten 34% ist Krankheit. Kostensparende Reformen? Fehlanzeige. Gesundheit und Alter sind die Bereiche wovon denen die Wirtschaft enorm profitiert. Die Kosten für Arbeitslosigkeit liegen bei lediglich 4,8 %.



      Alles nur neoliberales Gequatsche.

    • @Mike Lehmann:

      Vielmehr können wir uns nicht mehr ihre typisch neoliberalen Lügen leisten. Lesen Sie doch mal den Artilel aus dem Ausland auf das unsolidarische deutsche Sparideal, könnte vielleicht erhellend für Leute wie sie sein, die weiterhin der Unions- und FDP-Ideologie auf den Leim gehen. Die Reichen werden seit jahrzehnten immer reicher aber wir können uns keinen Sozialstaat mehr leisten, ist klar. Der ist übrigens, das wissen sie sicherlich nicht, in der Verfassung verankert

  • Danke. Sehr guter Kommentar.

  • Eine erschreckende Warheit, in kurzen knackigen Sätzen auf dem Punkt gebracht....

  • liebe Taz!



    endlich mal wieder ein Kommentar, dem man als linker vorbehaltlos zustimmen kann. knapp und gut auf den Punkt gebracht, in vielerlei hinsicht.