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Haushaltmisere in der HauptstadtBerlins Hiob und seine Botschaften

Für die Landesfinanzen mit ihrem Milliardenloch wird es durch den Zensus noch schlimmer. Damit klarkommen muss erst mal Finanzsenator Evers (CDU).

Finanzsenator Evers (CDU) muss mit einer schlechten Nachricht nach der anderen fertig werden – aktuell mit dem nachteiligen Zensus Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Er erinnert glattrasiert nicht unbedingt an diesen verzweifelten ausgemergelten Mann mit langem Bart, wie ihn seit Jahrhunderten zahllose Gemälde zeigen Aber Stefan Evers, der Finanzsenator von der CDU, dürfte vielleicht trotzdem eine gewisse Verbundenheit zur biblischen Figur des Hiob spüren. Denn die nach dem benannten äußerst schlechten Botschaften prasseln gerade eine nach der anderen auch auf Evers ein. Erst scheiterte das geplante milliardenschwere Sondervermögen, dann ließ die Steuerschätzung die künftigen Einnahmen einbrechen – und nun wird es drittens auch noch Hunderte Millionen Euro weniger Geld von anderen Bundesländern geben: Deren Zahlungen richten sich nach der Einwohnerzahl, und der neue Zensus hat ergeben, dass Berlin fast 130.000 Menschen kleiner ist als gedacht.

Evers wird die Geschichte von Hiob nicht bloß kennen, weil er seinen Amtseid mit dem Zusatz „so wahr mir Gott helfe“ geleistet hat. Der hatte sich nichts Erkennbares zuschulden kommen lassen und lebte ein schönes Leben als wohlhabender Mann mit zehn Kindern. Bis ihn eben vier Botschaften erreichen – aller Besitz weg und vor allem: Kinder tot, weggerafft durch Krieg und Naturkatastrophen. Hiob selbst wird elend krank.

So weit ist es in der Berliner Haushaltsmisere noch nicht gekommen. Aber welche Folgen es hat, wenn zu dem von Evers schon vor Monaten aufgezeigten Milliarden-Loch immer wieder neue mehrere hundert Millionen Euro große Lücken wie nun beim Zensus kommen, ist am Mittwoch gut im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses zu beobachten. Evers und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sollen dort erklären, wie es mit der Absicht steht, dem schwedischen Energiekonzern Vattenfall nach dem Fernwärmenetz auch dessen Anteile am Gasversorger Gasag abzukaufen. Das hatte Anfang 2023, damals unter Giffeys Führung, bereits der rot-grün-rote Vorgängersenat angestrebt.

Dazu muss sich schwarz-rote Senat in den nächsten Wochen durchaus Gedanken machen. Denn Ende September läuft eine erste Frist ab, bis zu der Berlin erklären muss, ob es die Absicht hat, eine Kaufoption zu nutzen. Eine endgültige Festlegung ist das laut Giffey nicht sein – die Option soll bis Juni 2025 gelten. „Wir haben Grenzen“, sagt die Senatorin zu Berlins Verhandlungsspielraum, „und die liegen natürlich in der aktuellen Haushaltslage.“

In der Bibel wird es am Ende wieder gut

Steffen Zillich von der Linksfraktion befürchtet eine Art Koppelgeschäft: Einstieg bei der Gasag und dafür im Gegenzug Privatunternehmen am gerade erst zu 100 Prozent von Vattenfall erworbenen Fernwärmenetz beteiligen. Er drängt auf Klärung – aber weder Evers noch Giffey wollen sich festlegen oder etwas ausschließen. Beide verweisen auf vertrauliche Gespräche. Giffey verspricht immerhin: „Wir werden nichts Unverantwortliches tun, was nicht im Sinne des Landes ist.“

Zum Vergleich mit den tatsächlichen Hiobsbotschaften ist unterdessen noch eines nachzutragen: In der Bibel trafen vier schlechte Nachrichten ein – in Berlin bei Evers sind es mit Sondervermögen, Steuerschätzung und Zensus erst drei. Wobei für den Finanzsenator das Ende der Geschichte hoffnungsvoll sein könnte: Weil Hiob trotz allem nicht verzweifelt und durchhält, steht er um einiges später wieder mit zehn Kindern und doppelt so großem Besitz da. Was die Bibel allerdings noch nicht kannte: dass dem Senat so viel Zeit nicht bleibt, weil in gut zwei Jahren in Berlin schon wieder Wahlen und die Hiobsbotschaften bis dahin irgendwie zu verarbeiten sind.

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5 Kommentare

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  • @ECKARD HANSEAT52

    "Nicht Ressentiment, sondern Buchhaltung"

    Der war gut :-D

  • @ECKHARD HANSEAT52

    So viel Ressentiment, das aus Ihrem Post geradezu trieft.

    Was hat man Ihnen bloss angetan?

    Und ja, eine Grossstadt muss in solche Dinge investieren. Alternativ eben in Repression und Knast.

    • @tomás zerolo:

      Nicht Ressentiment, sondern Buchhaltung, so wie sie in anderen europäischen Großstädten normal ist, ohne dass die Bevölkerung und auch wichtige Sozialeinrichtungen dafür darben müssen. Insofern plädieren sie für ein nicht normales Berlin, das sich. immer weiter verschuldet und irgendwann in die Insolvenz schlittert.

    • @tomás zerolo:

      Ressentiment ist es erst, wenn man neben den sieben Unis, drei Opern usw. auch die beiden Zoos thematisiert.

  • Wenn man sieht, dass Berlin sich in vielen Bereichen viel leistet, was sich andere Städte und Länder nicht leisten (29 € Ticket, Kita umsonst, Schulessen gratis oder quasi geschenkt, drei Opern, teilweise nicht ausgelastete Theater und Museen, Jugendzentren, die nicht angenommen werden, Finanzierung von aktivistischen Vorfeldorganisationen, über 20 Geburtenstationen bei starkem Rückgang der Geburten usw.). Dazu kommen Subventionen aller Art in Wirtschaft, Soziales, wobei vieles eigentlich eine Unterstützung von Selbstbedienung ist, wobei auch Privatunternehmen gerne zugreifen.. Auch könnte man die Kosten für Flüchtlinge bei Unterbringung und psychisch-sozialer Betreuung auf ein europäisches Mittelmaß schrumpfen. Ist viel drin, aber der Senat und noch mehr die Opposition, die eigentlich überall noch draufsatteln will, scheuen die notwendigen Auseinandersetzungen, um ja keine Aufruhr der Betroffenen zu erzeugen. Daran führt aber kein Weg vorbei. Sparen bis es quietscht ist das keineswegs.