Hausbesetzungen in Berlin: Rot-Rot-Grün ist bereit zum Dialog
Die Koalition will Besetzungen mit Augenmaß begegnen und bald vielleicht sogar tolerieren. Vorbild ist Zürich. Spekulativer Leerstand soll bekämpft werden.
Vorangegangen war in den vergangenen Wochen eine teils hitzige Debatte, ausgelöst durch mehrere Hausbesetzungen an Pfingsten. Unter anderem wurde ein Gebäude einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft besetzt und wenig später in deren Auftrag von der Polizei wieder geräumt. Grüne und Linke hatten die Ziele der HausbesetzerInnen unterstützt; der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) warf ihnen deswegen die Beschäftigung mit „Mickymaus-Themen“ vor. Die SPD war es auch, die das Koalitionstreffen am Dienstag beantragt hatte.
Dort herrschte indes weitgehend Konsens, zumindest bei den Zielen. „Es gibt spekulativen Leerstand in Berlin, dagegen werden wir vorgehen“, sagte die grüne Fraktionschefin Antje Kapek nach der Sitzung der taz. Grundlage dafür kann das so genannte Zweckentfremdungsverbotsgesetz sein, mit dem unter anderem die Zahl der Ferienwohnungen drastisch reduziert werden soll. Die Koalition will zudem prüfen, ob weitere gesetzliche Regelungen nötig sind.
Auch beim Umgang mit Hausbesetzungen deutet sich nach dem Treffen ein veränderter Umgang ab. Zwar wird betont, dass die so genannte Berliner Linie weiterhin gelte. Danach sollen besetzte Häuser spätestens nach 24 Stunden wieder geräumt werden. Allerdings will die Koalition verhindern, das Problem auf dem Rücken der Polizei auszutragen. Man werde die Berliner Linie deswegen „mit Augenmaß“ anwenden, betonten Teilnehmer.
Vor allem aber sollen die Erfahrungen anderer Städte im Umgang mit HausbesetzerInnen von den Fachpolitikern der Fraktionen ausgewertet werden. Explizit genannt wird dabei Zürich: Dort darf nur geräumt werden, wenn es einen gültigen Strafantrag gibt und die Immobilie schnell abgerissen oder aber unverzüglich als Wohnraum genutzt wird.
Antje Kapek, Grüne
Laut Katrin Schmidberger, der Wohnungsmarktexpertin der Grünenfraktion, gibt es in Berlin etwa 50 bis 60 Häuser, die teils seit Jahre leerstehen und verfallen. Die Eigentümer seien bekannt, aber: „Hier kommt die Politik nicht weiter, auch Geldstrafen machen den Eigentümern nichts aus“, so die grüne Politikerin. Helfen könnte ein Treuhändermodell, bei dem die Eigentümer zwar nicht mehr über die Immobilien verfügen können, aber Mieteinnahmen erhalten.
Schmidberger lobte die Ergebnisse des Koalitionsausschusses: „Wir sind da einen echten Schritt weiter gekommen.“ Den Umgang von Zürich mit Hausbesetzungen nannte sie ein Erfolgsmodell.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Missbrauch in der Antifa
„Wie alt warst du, als er dich angefasst hat?“
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima