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Haus & Grund schummelt beim MietendeckelVermieter werben für Enteignungen

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Der Mietendeckel ist in Kraft. Haus und Grund will schummeln und rät, die gesenkte Miete nicht in Verträgen festzuhalten. Eine Frechheit.

Endlich mal wieder gute Aussichten für Mieter:innen: In Berlin gilt jetzt der Mietendeckel Foto: Jonas Tebbe/Unsplash

D er Vermieterverband Haus und Grund hat in dieser Woche kräftig Werbung für Enteignungen gemacht. Denn obwohl der Mietendeckel seit Sonntag offiziell in Kraft ist und das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg bereits eine Mieterhöhungen unter Berufung auf das neue Gesetz kassierte, raten die Lobbyist:innen von Haus und Grund ihren Mitgliedern, die geänderte Rechtslage in Mietverträgen einfach zu ignorieren. Relativ dreist sagte der Vorsitzende des Verbands, Carsten Brückner, dem RBB, dass es nun zwar verboten sei, eine bestimmte Miethöhe zu kassieren, nicht jedoch, sie in einen bestehenden oder neuen Vertrag zu schreiben.

Das Gesetz sieht laut Senat zwar vor, dass die gedeckelte Höhe im Vertrag steht, aber das ist Haus und Grund doch egal: Man sei zwar gezwungen, Mieter:innen innerhalb von zwei Monaten die nun zulässige Miethöhe mitzuteilen und auch nur diese zu kassieren. In neuen Mietverträgen könne man aber trotzdem eine höhere Miete eintragen, rät der Verband. So sei es möglich, diese zu verlangen, falls Klagen gegen Mietendeckel erfolgreich sein sollten oder wenn die Regulierung in fünf Jahren ausläuft.

Wer jetzt noch Mitleid mit den angeblich armen und gedeckelten Vermie­ter:innen empfindet, sollte vielleicht mal die Funktionsfähigkeit seines moralischen Kompasses untersuchen lassen. Zur Erinnerung: Der Mietendeckel ist nach eher schlecht als recht greifenden Groko-Mietpreisbremsen auf Bundesebene der erste härtere regulative Eingriff in die Preisentwicklung des Wohnungsmarkts auf Landesebene.

Er wurde notwendig, nachdem Hausbesitzer:innen und Vermieter:innen über zehn Jahre lang die Preise explodierten ließen, Zehntausende Menschen aus ihren Kiezen verdrängten und mit Wohnraum und Flächen spekulierten. Auch unter dem Druck einer seit Jahren mobilisierenden Mieterbewegung hat sich der rot-rot-grüne Senat entschieden, endlich zu deckeln.

Wer Mitleid mit Vermietern hat, sollte seinen moralischen Kompass checken

In Berlin dürfen für 5 Jahre keine Mieten erhöht werden, bestehende Wuchermieten müssen gesenkt werden, und bei Neuvermietung dürfen die Preise nicht über einem bestimmten Niveau liegen. Der Deckel gilt nicht für Neubau, aber für die 1,5 Millionen Mietwohnungen im Land. Nach Schätzungen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zahlen in Berlin 340.000 Menschen zu hohe Mieten.

Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, veröffentlichte zum Inkrafttreten des Mietendeckels einen Appell: „Mieter und Mieterinnen sollten die Ansprüche aus dem neuen Landesgesetz nutzen, sich nicht einschüchtern lassen und den sicher massiv auftretenden Umgehungsversuchen der Vermieterschaft entgegentreten.“

Die Atempause sei vertretbar und gerecht, schließlich seien Vermietereinkünfte und Immobilienvermögen massiv gestiegen. Schon jetzt seien zahlreiche Versuche von Ver­mie­te­r:innen festzustellen, in neuen Mietverträgen Ansprüche aus dem Deckel auszuschließen oder bereits Mieten für die Zeit danach festzulegen: „Die meisten dieser Vertragsklauseln werden nach AGB-Recht unwirksam sein.“

Und für große Immobilienkonzerne steht bereits das nächste Problem vor der Tür: Die rechtliche Prüfung des Enteignungs-Volksbegehrens ist abgeschlossen. Nach interner Abstimmung will der Senat wohl auf die Volks-Ini zugehen. Vielleicht hat auch die Dreistigkeit von Haus & Grund ihren Teil dazu beige­tragen.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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10 Kommentare

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  • Wir bewirtschaften ein seit 110 Jahren in Familienbesitz befindliches Mietshaus in Berlin-Prenzlauer Berg. Die Durchschnitssmiete beträgt 7,19 €/m², der Mietendeckel tangiert uns wirtschaftlich nicht, lediglich in einer Wohnung muss er um 2 ct/m² gesenkt werden. Wir haben allein in den letzten 10 Jahren gut 1 Million Euro in die Sanierung und Modernisierung unseres Hauses investiert, ohne, und das betone ich noch einmal, ohne daraus resultierende Mieterhöhungen. Trotzdem sage ich es ganz ehrlich, dieser Eingriff in die Rechtsstaatlichkeit nimmt mich schon in Solidarität mit anderen Eigentümern mit. Damit meine ich nicht die britische Fondgesellschaft im Haus direkt nebenan, die doppelt soviel Miete aufruft wie wir und keinen Cent in die Substanzerhaltung steckt oder ähnliche Haifische. Trotzdem, der in dem Artikel geäußerte Grundtenor ist unsachlich, einseitig und zeigt, das er von Leuten geschrieben wurde, die von der Materie keine Ahnung haben und wahrscheinlich entweder im Westen aufgewachsen sind oder erst nach 1990 geboren worden sind. Ich wünsche den Autoren, dass Sie einmal ein Mietshaus erben und bewirtschaften müssen, dann denke ich wird so mancher vom Paulus zum Saulus werden. Und eine Sache, die ich noch zur Vertreibung unserer älteren Mitbürger sagen möchte. In Berlin wurde man nicht nur alt, sondern vorher wurde man erwachsen, hat geheiratet, dann kam Familie und eventuell konnte man sich noch ein Arbeitszimmer leisten. Dann wurde man alt, die Kinder waren aus dem Haus, der Partner war nicht mehr da. Und..., die Wohnung war groß und auch teuer. So, und nun sucht sich dieser Mitbürger eine kleine Wohnung und muss feststellen, es gibt keinen angemessenen Wohnraum und wenn, ist der kleine Wohnraum teurer als der Jetzige. Wer ist daran schuld? Die privaten Vermieter? Oder könnte es nicht sein, das 2RG eventuell unfähig ist, Ideen zur Lösung solcher Probleme zu finden? Ich denke, ihr von der TAZ seid auf diesem Auge zu festgelegt und einfach blind.

  • Mal Verträge hin oder her. Der Mietendeckel wurde eingeführt um Speckulationen mit Wohnraum, Wohnungen die auch unter Bestandsschutz stehen, zu bekämpfen und das aus gutem Grund. Gerade "kleinere" Vermieterparteien sollten sich hüten sich den Kampanien der rendieteinteressierten Großspeckulanten anzuschliessen. Ja es ist dreist Mieten künstlich in die höhe zu treiben und Oma Erna aus ihrer Wohnnug zu werfen die sie seit 30 Jahren bewohnt ! Die durchaus gerechtfertigte Forderung, Aktienunternehmen zu enteignen fußt ja auf dieser Notlage und den assozialen Ansichten gewisser Manager die sich ihres sozialen Gewissens und gesellschaftlichen Moralvorstellungen schon längst entledigt haben. Nochmal zur Erinnerung, das Spiel heist sozaile Marktwirtschaft und bei einem Foulspiel ist die Demokratie gefragt ihre Rolle als Schiedsrichter wahr zunehmen.

  • Der Autor macht einen grundsätzlichen Fehler - der "Mietendeckel" gibt ja gerade vor, nicht das im BGB abschließend bundesrechtlich geregelte Mietvertragsrecht (privatrechtliche Regelungen) ändern zu wollen. Denn hier besteht ja eine bundes- und keine landesrechtliche Gesetzgebungskompetenz.

    Stattdessen formuliert der Mietendeckel bestimmte öffentlich-rechtliche Verbote und Gebote, mit denen das geltende Bundesrecht umgangen bzw. ausgehebelt werden soll.

    Ob dies zulässig ist, wird Gegenstand der rechtlichen Auseinandersetzung sein.

  • Naja



    Fall A Bestehender Mietvertrag ... Miete zuhoch ... Miete muss gesenkt werden.... Gesetz wird gekippt.... Alte Miete wird wieder gezahlt

    Fall B Neuer Mietvertrag.... Vermieter wird gezwungen eine niedrige Miete in Mietvertrag zu schreiben. .. Gesetz wird gekippt.... Vermieter bleibt auf niedriger Miete sitzen.

    Der Vermieter aus Fall B wäre jetzt im Vergleich zu Vermieter A ungerecht behandelt. Ich finde es nachvollziehbar dass die Interessenvertretung der Vermieter einen Vorschlag macht wie man mit so etwas umgehen sollte... Dass der Vorschlag jetzt soooo dreist ist, wie im Artikel dargestellt kann ich nicht sagen. Offiziell ist der Deckel ja zeitlich befristet. Würde man Vermieter B per Gesetz zwingen eine Miete in Höhe der Grenzen des Gesetzes in den Mietvertrag zu schreiben wäre vermutlich der Gleichheitsgrundsatz gegenüber Vermieter A verletzt. Im Gesetz steht vermutlich auch deswegen zwar, dass das Festsetzen einer höheren Miete verboten ist, aber, dass im Mietvertrag nichts anderes stehen darf wird dagegen im Gesetzt nicht geregelt.

    Und jetzt sind wir doch mal ehrlich zu uns... am meisten freut sich das Double Income No Kids Paar das für seine Topwohnung in Bestlage künftig nur noch die Hälfte zahlt und dem künftig viel mehr Geld für eine zusätzliche jährliche Luxuskreuzfahrt bleibt.

    Viel Grüße



    Martin

    • @Martin Herreiner:

      Genau. Dieses Gesetz, übrigens eine Idee der Nationalsozialisten, ist ein Schaufenstergesetz: Sieht gut aus, bringt aber nichts.

  • Welch "Dreistigkeit" sich als Vermieter absichern bzw. ggf Ansprüche zu stellen falls dies sehr rechtlich umstrittene "Gesetz" doch noch gekippt wird. Das würde jeder so machen um seine Rechtsansprüche nicht zu verlieren.

    • @clembus:

      Es ist immer hilfreich einen Bericht aufmerksam und vollständig zu lesen, es steht dort nämlich 'Das Gesetz sieht laut Senat zwar vor, dass die gedeckelte Höhe im Vertrag steht, ...', die Vermieter sichern also nicht irgendwelche legalen Ansprüche ab, sondern handeln schlicht gesetzeswidrig und das ist in der Tat eine 'Dreistigkeit'!

      • @Ressourci:

        Noch besser ist es, das Gesetz zu lesen. Da steht nämlich kein Wort davon drin, dass die gedeckelte Höhe in den Vertrag muss. Einzig die "Umstände" zur Berechnung und die Stichtagsmiete müssen benannt werden. Deshalb ist das hier gaaanz schlechter Journalismus! Hier wurden die Hausaufgaben nicht gemacht! In den Dokumenten zum Gesetzgebungsverfahren des Abgeordnetenhauses kann man nachlesen, dass der Berliner Gesetzgeber der Trickser ist und absichtlich eine Rechtslage erzeugt hat, bei der BGB und Preisgesetz nebeneinander leben sollen, weil er genau weiß, dass er das soziale Mietrecht des BGB nicht abändern darf... Konkret hat etwa Dr. Max Putzer, Sprecher des Arbeitskreises Stadtentwicklung und Wohnen der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Jurist*innen, in der Anhörung gesagt:

        „Ich möchte trotzdem noch einmal anmerken, dass ich Regelungen für vorzugswürdig halte, die vertraglich begründete Rechte und Pflichten nicht unmittelbar und damit dauerhaft verändern. Eine solche klare Trennung ist bereits gut umgesetzt, wie ich finde, in der Regelung zum Mietenstopp, also § 3 Abs.1, wo der Gesetzentwurf allein ein Verbot vorsieht, eine Miete zu fordern, die über der Miethöhe des Stichtags liegt. Damit ist meines Erachtens sichergestellt, dass Vermieter auch weiterhin im Anwendungszeitraum des Gesetzes ein Mieterhöhungsverlangen an den Mieter richten können, eine entsprechende Erhöhung aber erst nach Außerkrafttreten des Gesetzes auch fordern können. Vergleichbar wird in § 4, also zur Mietobergrenze, formuliert, dass es verboten ist, bei Wiedervermietung eine Miete zu fordern, nicht aber eine Miete zu vereinbaren, die über die einschlägigen Werte der Mietentabelle hinausgeht.“



        (Quelle: Abgeordnetenhaus von Berlin Wortprotokoll der Ausschusssitzung StadtWohn 18/49 vom 11. Dezember 2019, Seite 21 unten).

        Die anderen R2G-Gutachter haben das unterstützt und R2G hat das alles konsequent umgesetzt mit dem Änderungsantrag. Haus und Grund handelt also gesetzeskonform!

      • @Ressourci:

        wie schon gesagt, dass das Gesetz auf sehr wacklig ist ist einfach eine Tatsache. Die Möglichkeit , falls das Gesetz fällt, auf Schadenansprüche entgangene Mieteinahmen und auch gleichzeigte Mietanpassung zu regieren ist legitim.

        • @clembus:

          Muss mich anschließen. Solange kein Höchstrichterliche Entscheidung vorliegt würde ich auch nicht den Vertrag ändern. Schadensersatz ggü. dem Land Berlin bzw. Nachforderungen ggü. den Mieter müssen ja abgesichert werden. Geht das Gesetz eigentlich an LVG oder BVG?