Hauptversammlung Deutsche Wohnen: Aktionäre haben Angst
Der Vorstand des Immobilienkonzerns versucht, die Sorgen wegen Mietendeckel und Enteignung zu zerstreuen. So ganz klappt das aber nicht.
Aufgebracht redet ein weißhaariger älterer Herr auf die Quälgeister ein. „Seid froh, dass ich meine Ersparnisse zur Verfügung stelle, damit Sie eine Wohnung kriegen“, sagt er. Ein anderer Aktionär argumentiert: „Woher soll das Geld für die energetischen Sanierungen der Altbauten kommen, wenn Wohnungsbauunternehmen keinen Gewinn mehr machen dürfen?“
Für die Deutsche Wohnen, der deutschlandweit 167.000 Wohnungen gehören, sind die Zeiten unbequem: Ihre Geschäftspolitik steht in der öffentlichen Kritik. Die Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ hat in Berlin 77.000 Unterschriften gesammelt und strebt einen Volksentscheid an. Und anlässlich der Hauptversammlung demonstriert am Dienstag die Berliner Kampagne mit anderen Mieterinitiativen in Frankfurt gegen den Konzern.
Drinnen, im Saal des Kongresszentrums, scheint die Welt des Unternehmens zunächst noch in Ordnung. Das letzte Geschäftsjahr war für die Anleger erfolgreich: Mehr als 340 Millionen Euro Gewinn, 18 Prozent Wertsteigerung des Wohnungsbestands, eine Aktionärsrendite von 21 Prozent.
Kritische Aktionäre
Den Gegenwind, den die Aktionäre vor der Tür erlebt haben, nennt der Vorstandsvorsitzende Michael Zahn „Reibung“. Er räumt das schlechte Image des Unternehmens ein. „Um die gesellschaftliche Akzeptanz ist es schlecht bestellt“, sagt er und verspricht, noch mehr über das Gute zu reden, was das Unternehmen leiste. „Wir halten die Gesetze ein und gestalten die Modernisierungen sozialverträglich“, sagt Zahn. Mietsteigerungen von durchschnittlich 3,4 Prozent und 1,4 Prozent im Bestand nennt er maßvoll. „Wir sind nicht das Problem, sondern ein Teil der Problemlösung, bezahlbare Wohnungen zu schaffen“, sagt der Unternehmenschef.
Michael Zahn, Deutsche Wohnen
In der Aussprache zeichnen dann kritische Aktionäre ein völlig anderes Bild. Der Berliner Politikprofessor Peter Grotian ruft der Versammlung zu: „Es brodelt in Berlin. Da gibt es Existenzangst und Wut, die auch unkontrollierbar werden kann!“ Grotian bietet sich als Brückenbauer an und fordert einen konstruktiven Dialog mit der kritischen Öffentlichkeit.
Susanne Raab von der Berliner Kampagne „Deutsche Wohnen enteignen!“ nennt die Geschäftspolitik des Unternehmens aggressiv; Schimmel und kaputte Heizungen gehörten zum Alltag in den Berliner Mietwohnungen. In die hohe Bewertung des Bestands seien drastische Mieterhöhungen eingepreist, warnt sie.
Enteignung nur „mediales Getöse“?
Wortreich antworten die Verantwortlichen auf die Fragen, etwa zum verbesserungswürdigen Service des Unternehmens, zur Kommunikation mit den Mietern und nach den Investitionen in Pflegeimmobilien. Viele Aktionäre sind wegen der kritischen Debatte irritiert und machen sich Sorgen um ihre Renditen. Die Initiatoren des Frankfurter Mietentscheids sind längst Verhandlungspartner des Magistrats. Der Berliner Senat berät zeitgleich zur Hauptversammlung, ob in der Hauptstadt ein Mietendeckel für fünf Jahre verhängt werden soll.
Ein Aktionär stellt dem Vorstand die Gretchenfrage: „Haben Sie einen Plan B, wenn der Mietendeckel oder die Enteignung kommt?“ Der Vorstandvorsitzende verspricht, den Dialog mit der Öffentlichkeit zu intensivieren. Man habe sich für den Konflikt juristischen Sachverstand gesichert. Sein Stellvertreter Philip Grosse nimmt die Enteignungsforderung indes nicht wirklich ernst: „Das ist mediales Getöse, das kommt sowieso nicht“, sagt er.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen