Hashtag #dichterdran: Knausgårds eisblaue Augen

Ihre Frisur oder das Altern – Autorinnen werden oft auf Themen reduziert, die nichts mit ihrer Arbeit zu tun haben. Jetzt drehen sie den Spieß um.

Die Augen des norwegischen Schriftstellers Karl Ove Knausgard schauen in die Kamera

Wären dies die Augen einer Autorin – wer könnte noch über ihr Werk schreiben? Foto: dpa

Macht Mann einen Vorschlag, muss der Rest der Welt sich dazu verhalten. Dementsprechend verwundert es nicht, dass in den sozialen Medien heftig diskutiert wird, wenn die Tönnies und Linnemanns mit ihren Vorschlägen die Welt nicht verschonen können. Prompt trenden auf Twitter Rassismus und Identität. Neuerdings auch hoch im Kurs: #Fleisch.

Da kommt #dichterdran leiser daher. Seit Tagen veröffentlichen User*innen unter diesem Hashtag rege Tweets, die sehr lesenswert sind. Das Konzept: Sie schreiben so über Autoren, wie sonst Männer über Autorinnen schreiben.

„Man kommt nicht umhin anzunehmen, dass Rilke hier vor allem von sich selbst spricht; auch wenn sich die ‚geschmeidig starken Schritte‘ nur schwer mit der zarten Konstitution des Dichters vereinbaren lassen“, schreibt beispielsweise Melanie Pfändler, Journalistin. „Sie sehen blendend aus für Ihr Alter, Chapeau! Verraten Sie uns Ihre drei Must-Have-Körperpflege-Produkte, Frank Schätzing?“, stellt sich Autorin und Regisseurin Güzin Kar eine Interviewfrage für den gefeierten Thriller-Autor vor.

Was ausgedacht blöd klingt, ist für Autorinnen Alltag: Ob in Porträts, Rezensionen oder Interviews – immer wieder werden sie auf ihren Mann, ihr Äußeres oder ihr Weiblichsein reduziert. Das war auch der Auslöser für den Hashtag: Eigentlich wollte Nadia Brügger sich nicht aufregen, weil es so „dermaßen peinlich“ sei.

In einem Tweet kritisierte die Schweizer Literaturwissenschaftlerin dann aber doch einen Journalisten: Er hatte im Schweizer Tagesanzeiger die irische Schriftstellerin Sally Rooney als „aufgeschrecktes Reh mit sinnlichen Lippen“ beschrieben. Außerdem gebe es in Rooneys Werk „Szenen, die von Marivaux abgeschAutrieben sein könnten“. Ob sie nicht das nächste Mal die Rezension schrei­ben könne, und zwar „ohne die Autorin unnötig zu sexualisieren und ihre Leistung großväterlich zu schmälern?“, fragt Brügger in ihrem Tweet.

„Oder wir schreiben einfach alle mal so über Autoren“, antwortete Simone Meier, Schriftstellerin und Journalistin, und löste damit ein Gedankenspiel aus, das seit Tagen unter #dichterdran seinen Lauf nimmt.

Prechts Haare, Knausgårds eisblaue Augen, Thomas Manns Dasein im Schatten seiner Frau – kaum einer bleibt verschont in diesem unterhaltsamen Spiel. Davon kann man nur lernen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.