Harte Haftbedingungen für Kanadier: Seit zwei Jahren Chinas Geisel
2018 wurde Michael Spavor in China verhaftet – angeblich wegen Spionage. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um einen Racheakt Pekings handelt.
Erst am nächsten Tag gingen die Schlagzeilen um die Welt: Zwei kanadische Staatsbürger seien in China verhaftet worden. Bei einem handelte es sich um den Ex-Diplomaten Michael Kovrig, der andere war Spavor. „Noch immer hat er keinen offiziellen Prozess bekommen. Das zeigt doch recht deutlich, dass die Gründe seiner Verhaftung politischer Natur sind“, sagt der Australier Jacco Zwetsloot, der in Seoul arbeitet und seit 2008 mit Spavor befreundet ist: „Er wurde nur deshalb ausgewählt, weil er die kanadische Staatsbürgerschaft hat und daher nützlich ist als Druckmittel.“
Dass es sich um eine politische Racheaktion handelte, deutete auch Chinas Regierung an. Kurz vor Spavors und Kovrigs Verhaftung wurde Meng Wanzhou, Tochter des Huawei-Gründers, in Kanada festgenommen – auf Ersuchen der USA, die ihr vorwerfen, Sanktionen gegen den Iran gebrochen zu haben.
Washingtons Argumentation ist ähnlich hanebüchen wie Pekings Unterstellungen, die zwei Michaels seien „Spione“. Doch während die 47-jährige Chinesin in Vancouver im Luxusdomizil sitzen darf, mussten die zwei Kanadier über Monate täglich bis zu achtstündige Verhöre ertragen und durften das Licht in ihren Zellen nicht ausschalten.
China interessierte Spavor nie
Nun versicherte Kanadas Botschafter in Peking zumindest, den beiden gehe es psychisch und körperlich gut. Ihr Fall zeigt, wie unverhohlen Chinas Führung bereit ist, ausländische Staatsbürger als politische Geiseln zu missbrauchen. Pekings Außenamtssprecher hatte erklärt, dass eine Freilassung Mengs auch die Angelegenheit der zwei Kanadier lösen könnte.
Dass Spavor ein Spion sein soll, ist geradezu absurd. In bescheidenen Verhältnissen in Calgary aufgewachsen, zog er Ende der 90er Jahre nach Seoul, um dort als Englischlehrer zu arbeiten. Seit einem Besuch in Nordkorea entwickelte er eine Faszination für das abgeschottete Land.
Ein Jahr arbeitete er als Informatiker bei einer NGO in Pjöngjang, später zog er in die chinesische Grenzstadt Dandong, um ein Reisebüro mit Fokus auf Nordkorea zu leiten. Von der Wohnung konnte er auf den Yalu-Fluss blicken, hinter dem sich die nordkoreanische Stadt Shinuiju erstreckt. China interessierte Spavor nie.
Wie lange er und Kovrig noch einsitzen werden, ist ungewiss. Das Wall Street Journal berichtete zuletzt, dass die US-Regierung über eine Auslieferung Mengs nach China verhandelt. Für die zwei Kanadier ist dies die bisher größte Hoffnung auf Freiheit. „Ich denke, dass Spavor eine Person ist, die aus allem etwas Positives ziehen kann“, sagt Weggefährte Zwetsloot in Seoul: „Ich hoffe, dass er nach seiner Freilassung einen guten Buchvertrag bekommt oder einen Film aus seiner Geschichte machen kann.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos