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Hardrocksänger Ozzy Osbourne ist totGeschenke an die Menschheit

Ozzy Osbourne war nicht für Ruhm vorgesehen. Trotzdem wurde er zum stilbildenden Hardrocksänger mit Black Sabbath. Nachruf auf einen Finsterfürsten.

Ozzy Osbourne: Die Rettung, wenn auch nicht die Erlösung, lag im Pop Foto: Ashley Landis/AP/dpa

Seine Bahn war eigentlich vorgezeichnet, aber er hatte Glück. Der 1948 geborene John Michael „Ozzy“ Osbourne wuchs auf in einer prekären Arbeiterfamilie in der britischen Industriestadt Birmingham. Schulabbruch wegen unbehandelter Lese-/Rechtschreibschwäche, dann eine Reihe kleinkrimineller Straftaten, schließlich Gelegenheitsjobs.

Darunter die Drecksarbeit in einem Schlachthof, bei der er Kuhköpfe ausnehmen und Innereien putzen musste, Sargträger während seiner Adoleszenz-Depression, Hilfsdienste als Elektriker mit hoher Kurzschlussquote. Zwischendurch ein paar Wochen Knast.

Die Rettung, wenn auch nicht die Erlösung, lag im Pop. Ozzy Osbourne tat sich mit Tony Iommi (runtergestimmte Gitarre), Geezer Butler (Grummelbass) und Bill Ward (Schlagzeug, latent schleppend) zusammen, zuerst in der sehr erfolglosen Band Earth, dann unter dem Namen Black Sabbath. Man kann die kulturelle und materialästhetische Schönheit der ersten vier Sabbath-Alben eigentlich nicht überschätzen.

Angemessen plakativ

Die britische Band legte den Grundstein für das meiste, was das Genre Hard und Heavy so liebenswert machen sollte: tiefe Frequenzen, ernstgemeinte, tief empfundene, der Sache angemessen plakative Gesänge über Angst, Entfremdung und Krieg, Quatsch und Camp, Satanismus-Theater. Songs wie „Paranoid“, „War Pigs“, „Sabbath Bloody Sabbath“, „Iron Man“ oder „Symptom of the Universe“ sind bleibende Geschenke an die Menschheit, in denen eigentlich schon alles vorgezeichnet ist, was Abermillionen Metal-Bands in den folgenden fünf Dekaden weltweit weiterentwickeln sollten.

Diese Originale leben von einem unerschöpflichen Ideenreichtum bei gleichzeitiger Beschränkung der musikalischen Mittel und vom über alles hinwegfliegenden hohen Gesang Osbournes, der einen Kontrast zu den Tieftönern um ihn herum bildet.

1979 flog Osbourne aus der Band, wegen seines Drogenkonsums, der wohl auch den in seinem Umfeld üblichen Konsum bei Weitem überstieg. Nach dem Bandsplit schloss sich Ozzy Osbourne für drei Monate in einem Hotelzimmer ein und zog alles durch die Nase, was ihm in die Finger kam. Erst seine Managerin und kurz darauf auch zweite Ehefrau Sharon Osbourne zerrte ihn wieder ans Licht. Nach Gründung von Black Sabbath die zweite Lebensrettung, so viel ist sicher.

Kopf abgebissen

Es begann eine gleichfalls glanzvolle Solokarriere, die neben einigen wirklich bedenklichen Powerballaden („Dreamer“) auch Genreklassiker („Crazy Train“, „Mr. Crowley“) abwarf. Ozzy firmierte als „Prince of Darkness“, machte konstant Musik. 1982 ereignete sich bei einem Solokonzert die Geschichte mit der Fledermaus (auf der Bühne den Kopf abgebissen), die in keinem Nachruf fehlen darf.

Gemeinsam mit seiner Frau brachte er 1996 das seitdem regelmäßig stattfindende „Ozzfest“ auf die Schiene, eine Art Klassentreffen der Metal-Szene. Eine weitere Erfindung, an der Ozzy Osbourne zumindest mitgewirkt hat, ist ambivalenter. 2002 startete die Serie „Meet the Osbournes“, die den Alltag seiner Familie mit der Kamera begleitete und das Format Promi-Reality-TV begründete. Sie hat sich allerdings erstaunlich gut gehalten und ist sehr lustig, auch weil Osbourne, wie offensichtlich seine gesamte Familie, ein großer Komiker gewesen ist.

Black Sabbath machten ebenfalls weiter, mit mehr Besetzungswechseln als jede andere Metal-Band. 2013 erschien ein letztes Album, „13“, nahezu in der Urbesetzung (nur Schlagzeuger Bill Ward fehlte). Es ist ein schöner Abschluss der Geschichte einer der lebenslustigsten Depri-Bands aller Zeiten. „You can't trust anyone but the first three Black Sabbath albums“ ist ein geflügeltes Wort unter Fans.

Man kann auch die ersten vier Alben nehmen. Entstanden sind sie unter der Regie von Menschen, die in der bürgerlichen Gesellschaft eigentlich nicht für Ruhm vorgesehen waren.

Beim finalen zehnstündigen Black-Sabbath-Abschiedskonzert vor zwei Wochen in Birmingham verabschiedete sich Ozzy Osbourne, von Parkinson und jahrzehntelangem Drogenkonsum gezeichnet, auf einem Thron sitzend, von seinen Fans: „Ich möchte euch allen – im Namen der Jungs von Black Sabbath und von mir selbst – einfach nur sagen: Eure Unterstützung über all die Jahre hat es uns überhaupt erst ermöglicht, den Lebensstil zu führen, den wir leben. Ich danke euch von ganzem Herzen.“

Am Dienstag ist Ozzy Osbourne im Alter von 76 Jahren an Parkinson gestorben.

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4 Kommentare

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  • Möge Ozzy den Himmel rocken und durch seine Musik und die Erinnerungen an ihn unsterblich werden.

    Eine Anmerkung:



    Man stirbt nicht an Parkinson. Die Nebenwirkungen, die im Laufe der Zeit aufgrund des sich verschlechternden Zustands der Parkinson-Krankheit auftreten, führen zum Tod.

    • @MiezeKatz:

      Den Himmel und auch die Hölle.

  • Er wuchs auf "in einer prekären Arbeiterfamilie"? Was ist denn bitte eine "prekäre Familie"? Ich kenne prekäre Arbeitsverhältnisse oder prekarisierte Lebensumstände, aber keine prekären Familien...

  • Verdammte Legende… Du wirst mir fehlen. Was bleibt, ist dein Lebenswerk, deine Musik.

    Danke für alles Oz, RIP zusammen mit Dio, Lemmy und all den anderen.