Handball: Spreebirds machen Mut gegen rechte Gewalt
Der Handballverein SV BVG 49 aus Lichtenberg sucht seit dem Ausstieg des Hauptsponsors BVG nach einem neuen Geldgeber. Solange keiner in Sicht ist, schreibt man sich den Kampf gegen Rechtsextremismus auf die Hemden.
Es ist eine völlig neue Erfahrung für den Verein. "Alle können dabei nur gewinnen", sagt André Schünke begeistert. Der Abteilungsleiter der Handballerinnen vom Berliner VG 49 spricht von den neuen Trikots in dieser Saison. Die Grundfarbe ist blau und in großen roten Lettern steht darauf: "Mut gegen rechte Gewalt". Gewinner, so Schünke, seien der Verein und die gleichnamige Initiative gegen Rechtsextremismus, weil beiden nun eine größere Aufmerksamkeit zuteilwürde.
Beim Zweitligisten aus Lichtenberg, den Spreebirds, kannte man sich bislang hauptsächlich mit dem Verlieren aus. In den vergangenen Jahren hat man viel verloren: einen Großteil der Duelle in der Liga, die talentiertesten Spielerinnen an die Konkurrenz und zuletzt sogar den Hauptsponsor, die Berliner Verkehrsbetriebe, die immer noch als Namensgeber des Vereins fungieren. Doch genau deren vermeintlich fataler Rückzug hat die nun gewinnversprechende Situation ermöglicht.
Weil sich niemand aus der Wirtschaft per Trikotsponsoring für den Club engagieren wollte, kam man auf den Gedanken, sich selbst für etwas Unterstützenswertes einzusetzen. Nicht für irgendwas, sondern man habe bewusst darauf geachtet, dass dies mit dem Verein etwas zu tun habes, erzählt Schünke. Da Lichtenberg, der Heimatbezirk der Spreebirds, als Brennpunkt der rechtsradikalen Szene bekannt ist, kam man schnell in Kontakt mit der Initiative "Mut gegen rechte Gewalt".
Mit einer plakativen Botschaft beispielsweise gegen das Abholzen von Tropenhölzern hätte es sich der Club gewiss einfacher machen können. Beim ersten Heimspiel, erinnert sich Schünke, hätten manche Besucher in der Anton-Saefkow-Halle den Stand der neuen Partnerinitiative "schräg beäugt". Gerade in diesem Stadtteil würde das Thema polarisieren. Es habe auch einzelne negative Reaktionen gegeben. Beim zweiten Heimspiel aber sei bereits ohne Scheu diskutiert worden. "Und das ist ja auch der Sinn der Sache."
Es wird nun viel über Mut gesprochen beim Berliner VG 49. Schünke glaubt, dass sich das auch auf das Spielfeld überträgt. Denn trotz ihrer ersten Niederlage vom Samstag (31:42 gegen den Staffelfavoriten SV Garßen-Celle) sind die Berliner Handballerinnen aufgrund ihrer drei zuvor gewonnenen Spiele so gut wie noch nie in den vergangenen Jahren in die Saison gestartet. Der Verein wird derzeit sogar von einer kleinen Euphoriewelle getragen. Schünke sagt: "Ich sehe da schon einen Zusammenhang mit dem neuen Trikot. Der Zusammenhalt ist größer geworden." Das bestätigt auch die Mannschaftsführerin Juliane Lang. Die Identifikation mit dem Logo - und mit dem Kampf gegen Rechtsextremismus - sei wesentlich stärker als die Verbundenheit mit Vertretern aus der Wirtschaft.
Die Spielerinnen seien von der Idee mit dem Schriftzug sofort angetan gewesen, sagt Lang, die sich auch jenseits des Vereins gegen Rechtsextremismus engagiert. "Der Sport hält sich zu oft raus", findet sie. Und sie ist überzeugt: "Man kann die Aktion gewiss noch weiter pushen." Auf der Homepage von "Mut gegen rechte Gewalt" berichtet Lang regelmäßig in einem Tagebuch über die "Mut-Auftritte" der Handballerinnen.
Allerdings ist das Bündnis zwischen den Spreebirds und der Initiative "Mut gegen rechte Gewalt" erst einmal auf Zeit angelegt. Der stets um seine Existenz kämpfende Verein will sich nicht die Möglichkeit verbauen, für das nächste Jahr einen zahlenden Trikotsponsor zu finden. Und die Spreebirds haben zwar erstmals Hemdchenbestellungen von außerhalb, aus Wolfsburg, erhalten, aber nennenswerte Einnahmen wird man durch den Verkauf der Leibchen nicht erzielen.
Lang zeigt Verständnis für die Vereinspolitik. Man müsse ja Geld verdienen. Aber sie hofft: "Vielleicht können wir das derzeitige Logo trotzdem noch beibehalten." Auch Schünke hat bereits darüber nachgedacht: "Das wäre einmal ein neuer Ansatz. Vielleicht finden wir einen Sponsor, der sich mit diesem Engagement auch identifizieren kann."
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