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Hamburger Tresen-StandortpolitikWichtige Wirtschaften

Alexander Diehl
Kommentar von Alexander Diehl

Sicher: Die Wirt*innen, die in Hamburg ein „Barkombinat“ gegründet haben, machen Interessenpolitik. Aber warum auch nicht?

Typisch für Hamburg, nech: Tresen in der Kiez-Kneipe „Elbschlosskeller“ Foto: Christian Charisius/dpa

P uuh. Noch eine Branche, die ganz besonders am Coronavirus und seinen Folgen leidet – und nun nach dem Staat ruft? Demselben Staat, ausgerechnet, der an nicht wenigen Tresen lange zuverlässig als Problem beklagt worden ist, nicht als irgendeine Lösung? Weil er, in Gestalt von Polizei und Ordnungsamt und Vorschriften und Normen, es schwer mache, eine ehrliche Schwemme zu betreiben? Und – können wir an die Nöte von Kneipen und Bars nicht denken, wenn alle anderen Kühe wieder vom sprichwörtlichen Eis sind? Gibt es gerade nicht Wichtigeres? Doch, ja – aber.

Es bezweifelt niemand, dass es Bars und Kneipen derzeit schlecht geht, nach Wochen ohne jeden Umsatz, aber mit größtenteils weiterlaufenden Kosten. Und die sachten Lockerungen? Dass Mindestabstände die Zahl der gleichzeitig irgendwo Trinkenden senken, und also den Umsätz: Das leuchtet ein. Bloß: Ohne solche Regeln gäbe es ja überhaupt keine Erlaubnis, wieder zu öffnen.

Die nun in Hamburg ihre Stimmen bündelnden Betroffenen beklagen aber noch etwas anderes: Dass sie absehbar nicht nur weniger einnehmen, sondern auch noch ein Mehr an Aufgaben übertragen bekommen. Sie müssen dokumentieren, wer zu Gast ist, falls später Infektionen zurückverfolgt werden müssen. Und mit solchen „Registrierungslisten“ entstehen gleich auch Datenschutzerfordernisse.

Sicher: Es ist Interessenpolitik, ganz banale, die das junge Hamburger „Barkombinat“ um- und betreibt. Aber die da zu Wort sich meldenden Wirt*innen haben ja einen Punkt: Für eine zunehmend als Reiseziel sich verstehende (und vermarktende) Stadt sind ihre Tresen nicht ganz unwichtig. Eine Hafenstadt muss mit einem anderen Mix für sich werben als eine vormalige Residenz mit großer Sakralbautradition. Wo aber die Tourist*innen nicht mehr hinfahren, weil sie nicht wüssten, warum: Da gibt es irgendwann auch kein Geld mehr für all die anderen Dinge. Die so viel wichtigeren.

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