Hamburger Kühne-Oper: Ein Neubau als Doppelgänger
Der Entwurf für eine neue Staatsoper in der Hamburger Hafencity ähnelt dem Entwurf desselben Architekturbüros für ein Konzerthaus in Prag. Zufall?
Die Euphorie, die der Siegerentwurf für ein neues Opernhaus in Hamburg in der vergangenen Woche auslöste, hat einen Dämpfer bekommen. Wie ein Blick auf die Website des Architekturbüros Bjarke Ingels Group (BIG) bestätigt, ähnelt er stark dem Entwurf der Architekten für ein Konzerthaus in Prag. Neben den inspirierenden Bildern bleibt nach wie vor die Frage, ob sich Hamburg überhaupt eine neue Oper bauen sollte, bloß weil sie dafür Geld geschenkt bekommt.
Anfang September hatte die Stadt mit der Stiftung des superreichen Logistik-Unternehmers Klaus-Michael Kühne einen Vertrag geschlossen, nach dem die Stadt insgesamt 250 Millionen Euro dafür bereitstellen würde, das Grundstück herzurichten: Gründung, Flutschutz, öffentlich Anlagen, Kaimauern und Zuwege. Für weitere rund 350 Millionen Euro würde die Stiftung dann die Oper bauen.
Der Entwurf von BIG setzte sich in einem Qualifizierungsverfahren durch, zu dem lediglich fünf Architekturbüros eingeladen waren. In der Jury saßen Vertreter der Stadt, der Stiftung und Experten. Das Ehepaar Kühne hatte ein Vetorecht. Die Entscheidung fiel aber einstimmig.
Die Idee für die Philharmonie in Prag hatte BIG im vergangenen Jahr vorgestellt. Sie ähnelt in der Grundstruktur und der Herleitung stark dem, was in der vergangenen Woche in der Hafencity vorgestellt wurde: Ein Kern von zu einem Hügel gestapelten Funktionsräumen wird mit gläsernen Fassaden umgeben und von einer Spirale weit auskragender, begehbarer Dächer umspielt. Allerdings wirkt der Entwurf für Prag weniger organisch, weniger verspielt, dafür urbaner.
Ob die Jury in Hamburg den Entwurf für Prag kannte, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen. Dem NDR zufolge wusste die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Anke Frieling davon nichts. „Eine gewisse Ähnlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen“, zitierte sie der Sender. Allerdings überrasche es auch nicht, dass die Architektursprache von BIG zu erkennen sei. Die Kulturbehörde versicherte dem Hamburger Abendblatt: „Selbstverständlich waren und sind der Jury die Arbeiten der beteiligten Büros bekannt.“
Nicht das eigentliche Problem
Aus Sicht des Architekturkritikers David Kasparek ist das aber gar nicht das eigentliche Problem. Dieses bestehe im Vorgehen, bei dem der Geldgeber maßgeblichen Einfluss auf das Auswahlverfahren hatte. Der Senat habe sich darauf eingelassen, „einen Ort für die Stadtgesellschaft an der Stadt vorbei zu entscheiden“.
Bereits im Sommer hatte sich die Hamburger Architektenkammer für eine offene Debatte ausgesprochen. Darüber, wie das letzte freie – und sehr prominente – Grundstück in der Hafencity genutzt werden sollte, und welche Funktion ein neues Operngebäude überhaupt haben könnte. Sie forderte zudem einen offenen Architekturwettbewerb.
Die Oper neu zu bauen, passe eigentlich gar nicht in eine Zeit, in der so viel über Nachhaltigkeit geredet werde, sagt Kasparek. Zudem sei die bestehende Hamburger Staatsoper ein schönes Beispiel für die Nachkriegsmoderne, die in ihrer Sprödigkeit gut zur Stadt passe.
Dazu kommt, dass die heutige Staatsoper in der Nähe des Gänsemarkts als ältestes von Bürgern gegründetes Opernhaus des Kontinents eine große Tradition hat und das aktuelle Gebäude unter Denkmalschutz steht. Die Stadt müsste es also eigentlich erhalten. Wie genau das gehen und welche Funktion das Gebäude künftig haben soll, ist weiter offen.
Kultursenator Carsten Brosda (SPD) argumentiert, dass die Sanierung des Bestandsgebäudes mit unabsehbaren Kosten verbunden wäre. Er verweist dabei auf die milliardenschweren Sanierungen in Stuttgart und Köln. Ein Gutachten des städtischen Immobilienunternehmens Sprinkenhof war 2020 allerdings nur auf 146,5 Millionen Euro für eine Generalsanierung gekommen. Das entspricht ungefähr dem Betrag, den der Senat in der Hafencity für „standortspezifische Mehrkosten“ vorgesehen hat.
Während die bestehende Oper schon seit Jahren schrittweise saniert wird, ist offen, ob die 350 Millionen Euro, die für den Neubau zur Debatte stehen, reichen werden. Die Frage ist: Wer bezahlt, wenn die Rechnung am Ende wesentlich höher ausfällt? Und bringt sich die Stadt bei allen angeblichen Kostendeckeln nicht genauso in Zugzwang wie beim Eltbower?
Dort hatte der Senat ebenso hoch und heilig versprochen, niemals städtisches Geld zu investieren. Jetzt ist er bereit, sich für eine halbe Milliarde Euro einzukaufen, um ein Naturkundemuseum zu eröffnen.
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