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Hamburger KoalitionsvertragRot-Grün macht weiter – so!

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

Für ein reiches Bundesland wie Hamburg sind die Pläne von SPD und Grünen ziemlich unambitioniert. Aber beim Thema Abschieben packt sie der Ehrgeiz.

In der Abschiebe-Haftanstalt Glückstadt hat Hamburg Plätze, aber im Koalitionsvertrag ist von „bedarfsgerechtem“ Ausbau die Rede Foto: Ulrich Perrey/dpa

W enn ein Regierungsbündnis fortgesetzt wird, und das sogar zum zweiten Mal, liegt es in der Natur der Sache, dass einem viele Dinge im Koalitionsvertrag bekannt vorkommen. Und ebenso gehört es zu den parlamentarischen Gepflogenheiten, dass die Opposition dann kritisiert, die Vereinbarung sei nichts als ein „Weiter so“, wie es CDU und FDP prompt gleichlautend taten.

Doch jenseits des Rituals haben sie Recht: Der rot-grüne Koalitionsvertrag liest sich nicht gerade überambitioniert. Worte wie „fortsetzen“, „weiterhin“ oder „verstetigen“ springen einen förmlich an. Und die Problemlösungen, für die der neue Senat sich in Berlin „einsetzen“ möchte, sind kaum zu zählen. Fragt man sich dagegen, was das große Projekt dieser Koalition sein soll, sucht man vergebens.

Oder soll man den Bestandsschutz für Parkplätze und die Abkehr von einem konkreten Ziel beim Fahrradwegeausbau schon als programmatisches Highlight verstehen?

Das ist vor allem deswegen traurig, weil das reiche Hamburg die finanziellen Mittel für große Würfe durchaus aufbringen könnte. Und es ist ja nicht so, dass es keine großen Probleme gäbe.

Worte wie „fortsetzen“, „weiterhin“ oder „verstetigen“ springen einen förmlich an

Für die Klimapolitik fehlt ein frischer Impuls. Da haben SPD und Grüne zwar niedergeschrieben, dass die Zukunft der Fotovoltaik gehört. Aber das Allerleichteste fehlt: Eine konkrete Verpflichtung, dass die Stadt endlich wenigstens ihre eigenen Dächer mit Solaranlagen versieht, die der alte Senat auf den letzten Metern verstolpert hatte.

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Gegen die Wohnungsnot fällt den Koalitionären nicht viel mehr ein, als das schon in den Vorjahren nicht erfüllte Ziel „10.000 Baugenehmigungen im Jahr“ wieder aufzulegen. Nur muss die ja auch jemand bauen. In der Konjunkturkrise müsste die Stadt hier, antizyklisch, im großen Stil als Bauherr einspringen.

Allein schon, um den vielen Geflüchteten eine Perspektive zu schaffen, deren jahrelanges Festhängen in öffentlichen Unterkünften nicht nur irrsinnig teuer, sondern auch im Koalitionsvertrag als Integrationshindernis benannt ist.

Mehr Abschiebungen

Eine der wenigen konkreten Zielsetzungen findet sich dagegen ausgerechnet beim Thema Abschiebungen: Steigern will der Senat sich da – so wie schon im vergangenen Jahr.

Dabei sollte es doch um schlichtes Verwaltungshandeln gehen, durch Recht und Gesetz geregelt und politischen Zielen gar nicht zugänglich. Dass die nun trotzdem vertraglich festgehalten sind, zeigt, dass auch dieser Senat gegen populistische Symbolpolitik nicht gefeit ist.

So muss man sich einstweilen daran erfreuen, dass mit Maryam Blumenthal erstmals ein Mensch mit Migrationsgeschichte im Senat sitzt – und Frauen damit, ebenfalls erstmals, die Mehrheit stellen; unter den grünen Se­na­to­r:in­nen sogar eine Dreiviertelmehrheit. Es ist nicht alles schlecht.

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Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück

6 Kommentare

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  • Die GRÜNEN in Hamburg unterscheiden sich in keiner Weise von CDU oder FDP. Sie sind ausschließlich auf ihre persönlichen Karrieren fixiert und scheren sich einen feuchten Kehricht um Parteiprogramme oder gar Demokratie. Hier sei daran erinnert, wie sie ihre Parteikollegin abgestraft haben, als die einem U-Ausschuß zustimmte der die SPD in dem Cum-Ex Skandal belastet hätte. Dabei hat sie ausschließlich von ihrem Recht/Pflicht der Gewissensentscheidung Gebrauch gamacht. Pfui!

  • Vielleicht ist Hamburg deshalb finanziell einigemaßen gut aufgestellt, weil man nicht jeden Euro seiner Bürger ausgibt, um als Politiker moralisch zu punkten (mit anderer Leute Geld), sondern darauf achtet, dass auch morgen und übermorgen die Einnahmen aus Steuern und die Ausgaben in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.

    Berlin könnte davon natürlich lernen, anscheinend erwarten aber einige, dass ein gesunde Stadt sich an diesem "Loch" orientieren soll, wo gar nichts funktioniert.

  • "Für ein reiches Bundesland wie Hamburg sind die Pläne von SPD und Grünen ziemlich unambitioniert. " Vielleicht wollen die Hamburger und Hamburgerinnen auch einfach weiter in einem reichen Bundesland leben, mit dem höchsten Bruttosozialprodukt pro Kopf und dem zweithöchsten Haushaltseinkommen pro Kopf (nach Bayern), und sind in der Mehrheit damit zufrieden.

  • Wer nicht mehr nach vorne strebt, wartet nur auf seine Abwahl. Das darf es nicht sein.



    Hamburg hat die Ressourcen für eine Verkehrspolitik à la Paris oder Kopenhagen. Es hat die Weltoffenheit für Mut. Es hat Wohnungspolitik, die man ökologisch erweitern könnte.

    • @Janix:

      Was ist denn, wenn die Hamgurger gar keine Verkehrspolitik á la Paris oder Kopenhagen wollen?

  • Bullerbü der satten PfeffersäckInnen bleibt....wie gehabt. Hamburg das Rot- Grüne CSU Land an der Elbe...