Hamburger Fußball-Szene: HSV-Fans machen sich selbstständig
Da sie mit den Entwicklungen beim Hamburger Sportverein nicht zufrieden sind, haben HSV Fans einen Verein gegründet, bei dem sie wieder das Sagen haben. Dass sie in der Kreisklasse anfangen, nehmen sie in Kauf
HAMBURG taz | Sportvereine gibt es viele in Hamburg. Im letzten Jahr hat der „Deutsche Olympische Sportbund“ 797 gezählt. Nun ist einer dazugekommen, der sich von den anderen unterscheidet: der HFC Falke. Das Besondere ist, dass er von HSV-Fans gegründet wurde, die sich bei ihrem alten Verein nicht mehr heimisch fühlten.
„Anlass war die Ausgliederung der Profiabteilung beim HSV und besonders die inakzeptable Diskussionskultur“, sagt Pressesprecher Philipp Markhardt. Name und Logo sind Ableitungen der drei Gründervereine des HSV: FC Falke 1906, Hamburger FC 1888 und SC Germania von 1887. Seit der Gründung unter dem Vereinsmotto „Dankbar rückwärts – mutig vorwärts!“ in einem Hörsaal der Hamburger Universität am 13. Juli traten mehr als 300 Mitglieder bei.
In einem Gastvortrag stellte dort Stuart Dykes vom FC United of Manchester seine Erfahrungen mit Fanvereinen vor. Der „FCUM“ wurde von Manchester United Fans vor neun Jahren gegründet, als ihr bisheriger Lieblingsverein vom US-amerikanischen Milliardär Malcom Glazer gekauft wurde. Mittlerweile hat der Fanverein knapp 1.700 Mitglieder und baut für sechs Millionen Pfund ein eigenes Stadion. So weit ist man in Hamburg noch nicht.
Hier hat die Suche nach einem Sportplatz Priorität. Markhardt: „Es steht und fällt mit der Spielstätte, weswegen diese als Nächstes angegangen werden muss. Auf einem Grandacker werden weniger Leute Interesse haben, in der Kreisklasse anzutreten als auf einem gepflegten Rasenplatz, vielleicht sogar mit einer eigenen Vereinsgastronomie.“
Die HSV-Mitgliederversammlung stimmte am 19. Januar mit großer Mehrheit für einen Antrag der "Initiative HSV+" auf Ausgliederung der Profiabteilung.
Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am 25. Mai beschlossen die Anwesenden mit 86,9 Prozent die Ausgliederung. Am 7. Juli wurde die "HSV AG" in das Handelsregister eingetragen.
Ziel: Es sollen Anteile an solvente Partner verkauft werden, um zusätzliches Geld zu erwirtschaften. Das Mitbestimmungsrecht der Mitglieder wurde eingeschränkt, der Amateursport fürchtet um seine finanzielle Zukunft.
Eine Mannschaft und ein Trainer fehlen ebenfalls. Dafür ist Zeit bis zum nächsten Jahr, da die Aufnahme des Ligabetriebs zur Saison 2015/ 16 geplant ist. In der Zwischenzeit sind Freundschaftsspiele geplant, unter Anderem gegen Manchester.
Bereits jetzt gibt es mit dem „Falke-Fanclub Garmisch Partenkirchen“ und den „Dicken Falken“ zwei Fanclubs. Für Stimmung bei künftigen Spielen sollte also gesorgt sein.
Ein Arbeitskreis feilt an einem Manifest, in dem Werte für den Verein definiert werden sollen. Es geht um Partizipation, eine Haltung gegen Rassismus und Diskriminierung, aber auch eine soziale Ausrichtung. Nicht nur Fußball, sondern auch der Breitensport soll gefördert werden, ein Schwerpunkt gilt dem Inklusionssport.
„Es geht um einen Verein, der den Mitgliedern gehört und der ihnen nicht weggenommen werden kann“, sagt Markhardt. Sie sollen über alles befinden können, womit die Demokratie wiederhergestellt werde, die beim HSV quasi aufgehoben worden sei. Es gibt dafür sogar Ewigkeitsklauseln, also unverrückbare Paragraphen, die nicht geändert werden können.
Der Name „HSV“ fällt nur viermal auf der Gründungsversammlung. Die Leute wollen keine Abrechnung und sich auch nicht gegenseitig bedauern. Sie wollen gemeinsam etwas Neues aufbauen.
„Falke ist keine Konkurrenzveranstaltung, kann es auch überhaupt nicht sein, da wir in der Kreisklasse anfangen“, versichert Markhardt. „Die meisten sind ja HSV-Fans, bestimmt noch Mitglied und haben ihre Dauerkarte, die wenigsten werden ausgetreten sein.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl