Hamburg schließt Bündnis mit Wirtschaft: Quadratur der Industrie
Senat und Wirtschaft schließen Bündnis, das Wirtschaftswachstum und Klimaschutz unter einen Hut bringen soll. Planungen sollen schneller werden.
Die Formulierung „Novellierung des Verbandsklagerechts mit dem Ziel des Abbaus von Investitionshemmnissen“ steht in der Erklärung zum „Bündnis für die Industrie der Zukunft“, die Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Matthias Boxberger, der Vorsitzende des Industrieverbandes (IVH), am Montag unterzeichnet haben.
An der Vereinbarung war seit April gearbeitet worden. Kurz vor der Veröffentlichung hatte der BUND in der vergangenen Woche Alarm geschlagen mit der Befürchtung, der Bürgermeister habe der Industrie einseitig Zusagen gemacht.
Das Papier, wie es jetzt präsentierte wurde, stellt naturgemäß die Wünsche der Industrie in den Vordergrund. So wird Torsten Sevecke (SPD), der Staatsrat für Hafen, Innovation und Wirtschaft, künftig als „Industriekoordinator“ wirken. Analog zum Wohnungsbaukoordinator, zur Radverkehrsbeauftragten und zum Grünkoordinator soll er sich darum kümmern, dass die Belange der Unternehmen bei der Stadtentwicklung nicht zu kurz kommen.
Der Senat will der Industrie mit einer Image-Kampagne beispringen. Dafür stellt er binnen zwei Jahren 300.000 Euro bereit plus einen nicht bezifferten Betrag für „gemeinsame größere Veranstaltungen in Betrieben“. Für eine mehrjährige Radverkehrskampagne gibt der Senat 7,5 Millionen Euro aus.
Als Drittes verspricht der Senat der Industrie, sie planungssicher mit Flächen zu versorgen. Dabei legt das Papier einen Schwerpunkt auf das Flächenrecycling. „Der sparsame Umgang mit Grund und Boden ist aus Umwelt- und insbesondere Klimaschutzgründen besonders hervorzuheben.“
Die Industrie in Hamburg beschäftigt nach Angaben des Senats 120.000 Menschen und hat im vergangenen Jahr 80 Milliarden Euro brutto erwirtschaftet.
Ihr Anteil an den CO2-Emissionen ist 2005 bis 2017 von 32 auf 28 Prozent gesunken, während ihr Anteil an der Wertschöpfung von 14 auf 15 Prozent stieg.
Pro Kilotonne CO2 erwirtschafteten die Betriebe 2005 rund 1,8 Millionen Euro; 2017 waren es 3,5 Millionen.
Bei Bauvorhaben, die Betriebe beeinträchtigen könnten, soll mit diesen früh gesprochen und einvernehmliche, auf Unternehmensentwicklung gerichtete Lösungen gesucht werden. Die für die Industrie gedachten Flächen sollen in Summe nicht weniger werden. Vergibt die Stadt Grundstücke, werden Umwelt- und Ressourcenschutz gewichtige Auswahlkriterien sein.
Um Investitionshemmnisse abzubauen, soll es bei komplexen Zulassungsverfahren Vorantragskonferenzen geben, bei denen geklärt werden kann, was Unternehmen für einen vollständigen Antrag beibringen müssen. Wie bei Postsendungen sollen Unternehmen elektronisch den Stand ihres Antrages abfragen können.
Zudem will sich Hamburg auf Bundesebene „für eine Evaluierung der rechtlichen Grundlagen von Planfeststellungsverfahren“ einsetzen. „Das hat mit dem Verbandsklagerecht nichts zu tun“, sagte Tschentscher. Es gehe bei Planungsverfahren bloß darum, sie nicht ausufern zu lassen. Vielleicht reiche es, einen Redaktionsschluss einzuführen, sodass nicht immer neue Einwände nachgeschoben werden könnten.
FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein las aus dem Papier eine „Unterstützung für die Einschränkung des Verbandsklagerechts“. Sie forderte den Bürgermeister auf, seinen Katalog auch durchzusetzen.
Ihr Kollege bei den Grünen, Anjes Tjarks, kommentierte dagegen lieber die Förderung von Innovationen, die auch der Bürgermeister in den Vordergrund gestellt hatte. Beispiel dafür ist ein Demonstrationszentrum in Bergedorf für die Gewinnung und Verwendung von Wasserstoff. „Effektiven Klimaschutz bekommen wir nur mit der Industrie hin“, sagte Tjarks.
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