Hamburg besorgt Luftfilter für Schulen: Spätes Umdenken

Hamburgs SchuIbehörde will bis zum Herbst in 10.000 Klassen Luftfilter aufstellen. Das kostet bis zu 30 Millionen und soll Schließungen verhindern.

Ein mobiles Filtergerät steht im Klassenraum einer Schule.

So könnten sie aussehen: mobiles Filtergerät in einem bayrischen Klassenzimmer Foto: Sven Hoppe / dpa

HAMBURG taz | Nicht kleckern, sondern klotzen: Auf diese Weise reagiert Schulsenator Ties Rabe (SPD) auf die anhaltende Kritik, er setze sich zu wenig für Coronaschutz an Schulen ein. So startet seine Behörde am Montag ein Ausschreibeverfahren, das zum Ziel hat, für rund 10.000 Unterrichtsräume mobile Luftfiltergeräte anzuschaffen. „Mit der Ausschreibung sind wir vermutlich das erste Bundesland, das für alle Schulklassen entsprechende mobile Raumluftfilter beschaffen wird und das Ausschreibungsverfahren jetzt einleitet“, sagte Rabe.

Nur wenige Stunden zuvor hatte die Linksfraktion ein solches Programm gefordert. Auch die CDU-Fraktion hatte die schnelle Bestellung angemahnt, damit Hamburg auf dem „angespannten Markt“ noch Geräte bekomme. Denn das Bundeskabinett in Berlin hatte erst am Mittwoch die bundesweite Förderung solch mobiler Anlagen für alle Länder mit 200 Millionen Euro beschlossen.

SPD-Finanzsenator Andreas Dressel verkündete noch Mittwochabend auf Twitter: „Das ist ein hilfreicher Beschluss des Bundes. Es bedeutet voraussichtlich 5,2 Millionen Euro für Hamburg.“ Die Schulbehörde werde sich mit Unterstützung von „Schulbau Hamburg“ um die Umsetzung kümmern.

Die nun geplante Ausschreibung soll in der Behörde schon lange und gründlich vorbereitet worden sein, hört man aus der Hamburger Straße. Überraschend ist dabei: Die Stadt wird zusätzlich zu den Bundesmitteln noch viel mehr Geld in die Hand nehmen und selbst 20 bis 30 Millionen Euro investieren.

Umweltbundesamt empfiehlt die Filter jetzt auch

Hamburg hat insgesamt rund 12.000 Klassen-, Fach- und Unterrichtsräume, teilt Rabe mit. Nach Recherchen der Schulbehörde benötigten etwa 2.000 davon aufgrund ihrer Größe oder bereits vorhandener Klimatechnik keine mobilen Raumfilter. Für die übrigen 10.000 Räume sollen nun diese Filter angeschafft werden, wobei im Rahmen der Ausschreibung auch geprüft werden solle, ob statt einem großen etwa zwei kleinere Geräte sinnvoll sein können.

Den Zuschlag bekomme jener Anbieter, der das beste „Preis-Leistungs-Verhältnis“ biete und „schnell liefern“ kann, sodass erste Geräte bereits nach den Sommerferien stehen können, spätestens jedoch zu Beginn der kühlen Jahreszeit im Oktober, wenn das Lüften über die Fenster schwieriger wird.

Rabe hatte bisher bundesweit Aufmerksamkeit erzielt, weil er Luftfilter kritisch sah, da die Klassen ohnehin alle 20 Minuten stoßlüften sollen. Er bezog sich dabei auf eine Einschätzung des Umweltbundesamtes von Februar, wonach mobile Luftreiniger „nur als Ergänzung“ zu diesem 20-minütigen Lüften sinnvoll seien. Allerdings gab das Umweltbundesamt vor Kurzem eine aktuellere Einschätzung heraus, in der sie Klassenräume in drei Kategorien teilte und erklärte: Für Räume der „Kategorie 2“, die nur schwer belüftbar sind, etwa weil sie Kippfenster haben, sind mobile Luftreiniger sinnvoll. Fachgerecht positioniert und betrieben, seien die wirkungsvoll, „um während der Dauer der Pandemie die Wahrscheinlichkeit indirekter Infektionen zu minimieren“, so das Amt.

Somit stand eigentlich der Forderung, die Gruppen wie die Elterninitiative „Sichere Bildung für Hamburg“ seit Monaten aufstellen, nichts mehr im Wege. Deren Sprecherin Ines Moegling berichtet, an einzelnen Schulen hätten Eltern bereits Geräte auf eigene Initiative angeschafft. Rabe hingegen hatte stets davor gewarnt, dass Luftreiniger allein nicht helfen würden, und auch nach den Sommerferien Maskenpflicht und regelmäßige Tests nötig seien.

Tests und Maskenpflicht bleiben

Der SPD-Politiker kritisierte nun die Bundesregierung, da deren Förderprogramme „widersprüchlich“ seien. So war ein Förderprogramm aus dem Juni nur für fest einbaubare Luftfilteranlagen vorgesehen. Und das neue Programm, welches CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Mittwoch verkündete, bezog sich nun nur auf Klassenräume jener „Kategorie 2“, die nur Kippfenster oder schmale Fenster haben. „Würde man das ernst nehmen, dann gibt es für 90 Prozent aller Unterrichtsräume überhaupt gar kein Geld“, sagte Rabe. Diese Vorgabe müsse geändert werden.

Rabe sagte offen, ihm sei „nach wie vor nicht klar“, ob mobile Raumfilter „Sinn machen“, da an Hamburgs Schulen ohnehin durch Maskenpflicht, Testpflicht und Lüftungspflicht ein „Dreifach-Schutz“ bestehe. Es werde jedoch angesichts neuer Coronavarianten schon wieder öffentlich über Einschränkung oder Schließung des Schulbetriebs spekuliert. Da das aber angesichts der gravierenden Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche „verantwortungslos“ sei, werde Hamburg „alles tun“, um es zu verhindern. Rabe: „Die Schulen sollen im kommenden Schuljahr geöffnet bleiben.“

Die Linken-Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus sagt zu Rabes Ankündigung: „Es ist erfreulich, dass das passiert. Es ist trotzdem zu spät. Rabe hätte das viel früher machen können.“ Sie vermute, dass der Druck von Senatskollegen und Opposition dazu beigetragen habe. „Klar ist, wir wollen Präsenzunterricht für alle und keine geschlossenen Schulen“, so Boeddinghaus. Aber da Kinder unter zwölf nicht geimpft werden können und die Delta-Variante bedrohlich sei, müsse Hamburg alles nutzen, was geht.

Zudem sei sie sicher, dass es in Hamburg kein Büro gibt, „in dem gearbeitet wird und keine Luftfilter stehen“. Auch Ines Moegling sagte, sie begrüße den Schritt. „Nun hoffen wir, dass dieses Ausschreibeverfahren nicht zu lange dauert.“

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