Hamburg-Wahl: linke Spitze: Die resolute Rektorin
Dora Heyenn ist das Gesicht der Linken in Hamburg. Sie wird ihre Partei erneut in die Bürgerschaft führen, aber nie mit Olaf Scholz koalieren.
HAMBURG taz | Ihre Lehrerinnensozialisation wird Dora Heyenn wahrscheinlich nie mehr ablegen können. Wenn sie in der Bürgerschaft mit strengem Blick über ihre Rektorinnen-Lesebrille dem Bürgermeister ein auf jeder Silbe betontes „So geht das nicht!“ entgegenruft, macht selbst Olaf Scholz zuweilen den Eindruck eines Viertklässlers, der seine Hausaufgaben vergessen hat. Heyenn ist in der Hamburger Politik eine allseits respektierte Größe.
Und deshalb kommt es auf die 65-Jährige an, ihre Linkspartei wieder über die Fünfprozenthürde zu hieven und zum dritten Mal ins Landesparlament zu führen. In Umfragen liegt die Partei stabil bei acht bis neun Prozent. „Das entspannt“, sagt Heyenn, „aber wir dürfen nicht nachlassen.“ Und die AfD müsse bekämpft werden, sagt Heyenn, die an keiner Podiumsdiskussion teilnimmt, zu der AfD-Vertreter eingeladen wurden: „Das geht für mich gar nicht.“
Weil auch die Strategen in der Partei wissen, dass Heyenn in der Öffentlichkeit das beste Argument der Linken in Hamburg ist, setzen sie im aktuellen Wahlkampf auf etwas, was bislang als „Personenkult“ abgelehnt wurde:
Heyenn wirbt auf Großplakaten mit ihrem Gesicht für „Mehr Menschlichkeit, das muss schon drin sein.“ Was beinahe selbstironisch erscheint angesichts der mitunter rauen parteiinternen Umgangsformen.
Geboren wurde sie am 16. Mai 1949 auf der Ostseeinsel Fehmarn.
Die seit Herbst 2014 pensionierte Bio- und Chemielehrerin ist verwitwet und hat drei erwachsene Kinder.
Ihre zwei Hobbys sind:
1) der große Garten hinter ihrem Haus in Meiendorf
2) das Töpfern. Im Keller des Hauses hat sie sich eine Werkstatt eingerichtet, in der sie sich oft und gerne "erdet", wie sie doppeldeutig sagt. Viele ihrer Werke schmücken die Räume ihres Hauses. Mehrere Keramik-Fachbücher hat Dora Heyenn auch geschrieben.
Bei ihrer Kür als Spitzenkandidatin vor drei Monaten erhielt die vor einem halben Jahr pensionierte Bio- und Chemielehrerin auf einem Parteitag lediglich 55,4 Prozent. Und musste von Vertrauten dazu überredet werden, die Wahl überhaupt anzunehmen: „Ich stelle mich meiner Verantwortung für diese Partei“, erklärte eine sichtlich angefressene Heyenn mit versteinerter Miene.
Heute sagt sie, das sei wohl „ein reinigendes Gewitter“ gewesen. Jetzt im Wahlkampf zögen alle mit wie noch nie: „Die hängen sich voll rein. Die wissen, dass sie was gutzumachen haben.“ Die Linke in Hamburg ist eine Partei, die ihre Identität noch immer nicht gefunden hat, manchen ist Heyenn zu autoritär, andere betrachten sie weiterhin als sozialdemokratische Reala. „Everybody’s Darling ist Everybody’s Depp“, kommentiert Heyenn: „Das war ich noch nie.“
Die tatsächlichen Themen gibt die Fraktion vor, für eine humane Flüchtlingspolitik und gegen die soziale Spaltung der Stadt. Die Schuldenbremse lehnt sie ab, weil diese nur die Ausgaben reduziere, aber nicht das Grundproblem löse: die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich in Hamburg.
„Wir müssen die Einnahmen erhöhen“, sagt Heyenn. Hamburg ist die deutsche Stadt mit der höchsten Dichte an Millionären, die müssten zur Kasse gebeten werden. Und zwar vom Finanzamt. Jeder zusätzliche Steuerprüfer sorge für eine zusätzliche Million Euros im Jahr, glaubt Heyenn, „also her damit“!
Von einer Koalition mit der SPD sind die Linke und die ehemalige schleswig-holsteinische SPD-Landtagsabgeordnete Heyenn vor allem deshalb weit entfernt, weil Bürgermeister Scholz „zu keinem Politikwechsel bereit ist und wir nicht bereit sind, uns als Feigenblatt und Steigbügelhalter herzugeben“, so Heyenn.
„Zudem ist für uns eine Koalition mit Olaf Scholz, dem Architekten der Agenda 2010, nicht vorstellbar.“ Es sei denn, Scholz würde sich dafür entschuldigen. „Aber das wird wohl nicht passieren“, vermutet Heyenn.
Da wird sie wohl Recht haben.
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