Haltbarkeit von Lebensmitteln: Gelatine als Nahrungs-TÜV
Eine Britin hat einen Sticker entwickelt, der den Verfall von Essen anzeigt. Bald startet in Großbritannien der erste Versuch in der Praxis.
„Bump Mark“ nennt Pakstaite ihre Erfindung. Sie besteht aus einem kleinen Polster aus Gelatine zwischen zwei Plastikschichten, das bei der Verpackung des Lebensmittels auf diese geklebt wird. Unter der Gelatine befindet sich eine dünne Kunststoffschicht mit Dellen.
Die Gelatine verändert mit dem fortschreitenden Verfall ihre Konsistenz: Wird das Essen schlecht, zerfließt die Gelatine. Ist sie so flüssig, dass man die Knubbel darunter spüren kann, heißt das: Finger weg, das Essen in der Verpackung ist ungenießbar.
Dabei bildet Pakstaite mit der Gelatine den Verfallsprozess des Lebensmittels nach – wofür die Konzentration der Gelatinemasse an das jeweilige Produkt angepasst wird. Das ist laut Designerin vor allem bei tierischen Lebensmitteln recht simpel, da Gelatine selbst aus tierischem Eiweiß besteht.
Mindesthaltbarkeit zu schwammig
„Gelatine macht einen ähnlichen Verfall durch“, sagt sie. Der Sticker reagiert im Gegensatz zum Mindesthaltbarkeitsdatum darauf, was der Verbraucher mit den Lebensmitteln anstellt – etwa, wenn die Einkäufe zu lange im aufgeheizten Auto liegen.
Das Mindesthaltbarkeitsdatum wird oft kritisiert. „Es ist zu schwammig“, sagt auch Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Nach wie vor würden viele Menschen Lebensmittel nach dem Ablauf einfach wegwerfen. Doch benennt das Datum nur den Zeitpunkt, bis zu dem der Hersteller Geschmack, Aussehen, Konsistenz und Nährwert des Produkts garantiert. Es handele sich um ein „Worst-Case-Scenario“-Datum, sagt Pakstaite.
Dabei ist Lebensmittelverschwendung ein Riesenproblem: Nach einer aktuellen Studie der Umweltschutzorganisation WWF werden in Deutschland allein jährlich 18 Millionen Tonnen weggeworfen.
„Jede Hilfe ist doch eine gute Sache“, sagt Verbraucherschützerin Schwartau. Für Senioren etwa könne ein Indikator wie Pakstaites Sticker hilfreich sein – diese hätten oft keinen besonders sensiblen Geruchssinn mehr. Außerdem trauten sich viele Menschen einfach nicht zu, die Frische ihrer Lebensmittel zu beurteilen.
Anpassung an jedes Produkt
Chancen könne eine solche Erfindung auf dem Markt schon haben – wenn der Verbraucher es nachfrage, sagt Schwartau. Denn das könne Firmen dazu bringen, diese einzuführen. In der Branche seien intelligente Verpackungen durchaus ein Thema.
Manon Struck-Pacyna, Sprecherin des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) – Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft – ist skeptischer. Sie weist auf zwei kritische Punkte für die Marktchancen des Labels hin: Es müsse genau erforscht sein, ob es wirklich funktioniere, schließlich müssten die Hersteller für die Sicherheit garantieren. Zudem müsse es sich rentieren, obwohl der Sticker für jedes Produkt angepasst werden müsse.
Die Erfinderin geht jedenfalls von niedrigen Kosten aus. Da Gelatine ein Abfallprodukt sei, „kostet es fast nichts, das Label zu produzieren“, sagt Pakstaite. 0,3 Penny ist ihr Ziel pro „Bump Mark“ – umgerechnet also etwa 0,42 Cent.
Doch noch etwas anderes könnte dem Label einen schweren Start bescheren: Gelatine ist ein Produkt aus tierischem Eiweiß, das etwa aus Knochen, Knorpeln, Sehnen und anderen Geweben gemacht wird, meist vom Schwein.
Erst mal für Fleisch
VegetarierInnen würden wohl kaum einen Joghurt mit einem Fleischlabel kaufen. Daher will Pakstaite ihren Sticker zunächst auf Fleisch und Fisch kleben. Zudem experimentiere sie jetzt noch mit einer tierfreien Variante aus Maisstärke.
Die Verbraucherschützerin Schwartau sieht noch einen weiteren Knackpunkt: Leicht verderbliche Produkte wie Hackfleisch haben kein Mindesthaltbarkeitsdatum. Sie bekommen ein Verbrauchsdatum, bis zu dem sie gegessen werden sollten.
Lebensmittel nach diesem Datum zu verspeisen, würde Schwartau nicht empfehlen. Die Keimbelastung etwa bei Hackfleisch sei oft hoch. Dies finde beim „Bump Mark“ aber keine Berücksichtigung. „Dafür braucht man noch eine Lösung“, sagt Schwartau.
Der Sticker bekommt nach Solveiga Pakstaites Angaben trotzdem große Aufmerksamkeit. In britischen Asda-Supermärkten soll es in voraussichtlich fünf Monaten einen Versuch mit dem „Bump Mark“ geben.
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