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Halbfinale der Fußball-WMBrutale Effizienz

In Sydney wird viel geweint nach Australiens 1:3-Niederlage gegen disziplinierte Engländerinnen. Die spielen nun im Finale am Sonntag gegen Spanien.

Die Entscheidung! Alessia Russo dreht nach ihrem 3:1 ab Foto: Abbie Parr/ap

Sydney taz | Es gab nicht wenige Menschen unter 75.784 Augenzeugen im riesigen Oval, die bereits auf den Rängen hemmungslos weinten. Und auch auf dem Rasen flossen im Australia Stadium viele Tränen, als der Traum vom WM-Finale der „Matildas“ wie eine Seifenblase zerplatzte. Der tapfere Widerstand der australischen Fußballerinnen und ein Traumtor der vergötterten Torjägerin Sam Kerr hatten nichts genützt.

Mit einem 3:1 gegen die Gast­geberinnen lösten die Eng­länderinnen das Endspielticket. Der Europameister hat sich als vorläufiger Weltmeister der Effizienz das Endspiel gegen Spanien (Sonntag 12 Uhr /ZDF) verdient. Nun muss der fünfte Kontinent ohne seine neuen Lieblinge erleben, wie im Olympic Park ein neuer Titelträger gekrönt wird.

„Es ist für jeden von uns ein Märchen“, sagte Englands Na­tio­naltrainerin Sarina Wiegman ergriffen, die sich von der fürwahr fantastischen Atmosphäre sichtlich beeindruckt zeigte. „Es fühlt sich an, als hätten wir schon ein Finale gewonnen, aber wir haben noch ein Spiel“, fügte die Niederländerin an, die bereits ihr viertes Endspiel binnen sechs Jahren erreichte. Die 53-Jährige hat seit ihrem Amtsantritt den „Lionesses“ einen besonderen Erfolgshunger vermittelt, den sie nicht nur dieser Tage im Teamquartier in Terrigal an der Central Coast vorlebt.

Nach den EM-Triumphen mit den Niederlanden (2017) und England (2022) wäre der WM-Gewinn der Beleg, dass ihr Ansatz die Benchmark bildet: Gemeinschaften gnadenlos aufs Ergebnis zu polen. „Wir haben zusammengehalten und am Plan festgehalten. Das hat wieder funktioniert“, konstatierte Wiegman zufrieden. Nach der englischen Führung durch Ella Toone (36.) erlebte dieses Turnier seinen emotionalen Höhepunkt, als die so lange auf ihr Eingreifen wartende Kerr beim 1:1 ein Traumtor schoss (63.). Die Massen bejubelten den perfekten Spannstoß mit 95 Stundenkilometern fast so laut wie einst 2000 den Olympiasieg von 400-Meter-Ikone Cathy Freeman an selber Stelle.

Der entscheidende Fehler

Doch dann patzte Rechtsverteidigerin Ellie Carpenter, und ihr schwerer Abwehrfehler ermöglichte der Engländerin Lauren Hemp die schnelle Antwort (71.). „Es ist ein Kindheitstraum: Jetzt wollen wir das Ding auch gewinnen“, sagte die quietschvergnügte Stürmerin. Ein bisschen Glück spielte mit, dass Kerr mit Kopf und Fuß zwei Chancen zum möglichen Ausgleich vergab (82. und 85.). Schlussendlich besorgte Alessia Russo auf der Gegenseite konsequent die Entscheidung (86.).

Australiens Nationalcoach Tony Gustavsson konnte gar nicht anders, als solche Unterschiede anzusprechen: „England hat wirklich seinen Plan durchgezogen. Aber man muss diese Schlüsselmomente gewinnen – und das haben wir nicht getan.“ Gleichwohl versuchte sich der Schwede mit dem Spiel um den dritten Platz in Brisbane gegen die Auswahl aus seinem Heimatland (Samstag 12 Uhr/ARD) zu trösten, obwohl dem 49-Jährigen natürlich die Finalteilnahme viel lieber gewesen wäre: „Ich bin stolz und traurig – wir hätten gerne die Leute noch stolzer gemacht.“

Sydney hatte sich für diesen Tag einen Fußball-Look zugelegt. Dass Menschen in Trikots der „Matildas“ zwischen Opernhaus und Hyde Park herumschlendern, ist eher nicht Alltag in dieser Weltstadt. Riesig war das Gedränge an den Zugangsstationen in den vielen Zügen zum Olympiagelände, wo eilig noch Fanzonen errichtet worden waren. Hier wird es am Sonntag zum finalen Kräftemessen zweier Fußballkulturen kommen. Der spanische Stil mit viel Ballbesitz und flüssigen Kombinationen trifft auf ein englisches Team, das sich über starke Physis und beste Ordnung definiert.

Wenn jemand darauf flexibel reagieren kann, dann die Spanierinnen, die sonst nicht im Halbfinale Schweden (2:1) bezwungen hätten. Trainer Jorge Vilda hat nachgewiesen, dass sein im Turnierverlauf zusammengeschraubtes Ensemble so wandlungsfähig wie ein Chamäleon im australischen Outback ist. Für die Generation um Jennifer Hermoso, Irene Paredes und Alexia Putellas ist es die vielleicht einmalige Chance, spielerisches Talent in den ersten Titel zu überführen. Doch es wartet vor dem Gipfel ein fast weltmeisterlicher Brocken.

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