Halbe China-Woche, volle Verantwortung: Deal oder Sack Reis
Kaum ist Xi Jinping aus der Tür, will Putin Atomwaffen nach Belarus verlegen. Wir sind mittendrin – und Rot-Weiss Essen ist immer noch bei Özil dabei.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Lamento über bevorstehenden Streik.
Und was wird besser in dieser?
Trotzdem Streik.
Chinas Staatsoberhaupt Xi hat Putin besucht – ganze drei Tage lang! Was sagt uns diese ungewöhnlich lange Staatsreise?
Na ja, ’ne halbe China-Woche. Kaum ist Xi Jinping aus der Tür, will Putin Atomwaffen nach Belarus verlegen. Schwer zu lesen: Hat Putin sich das Okay dazu geholt vom „Gast auf Augenhöhe“ – oder ist es gut russische Art, alten Freunden einen Schwall hinterherzukotzen? China und Russland forderten eine „gerechte multipolare Weltordnung“, also keine alleinige Supermacht. Jedenfalls keine, die nicht China oder Russland heißt, mag man argwöhnen. Nun reisen Macron und von der Leyen für das europäische Supermächtchen nach Peking. Da liegt alles auf dem Tisch: Chinas Nein zur nuklearen Eskalation – wie zur „Ausweitung militärischer Bündnisse“. Also kein Nato-Beitritt der Ukraine. Deal oder Sack Reis. Das wird nicht ohne die USA entschieden, wonach die taz mich möglicherweise gleich fragen wird.
US-Außenminister Antony Blinken schließt langfristig Verhandlungen über die künftigen Grenzen der Ukraine nicht aus. Die Entscheidung darüber liege aber bei den Ukrainern. Wem würden Sie die Entscheidung überlassen?
Nach einem Jahr Lieferungen schwerer Moral und Waffen ist die Ukraine heute das, was ein Jahr Moral und Waffen aus ihr gemacht hat: Wir stecken mit drin. Deshalb ist es wohlfeil und billig, den Krieg mit allen verfügbaren Mitteln zu unterstützen, ohne auch Verantwortung für sein Ende zu übernehmen. Vor einem Jahr hatte Selenski einen neutralen Status für die Ostukraine und ein 15-jähriges Moratorium über die Krim vorgeschlagen. Sicherheitsgarantien statt Nato-Beitritt, Neutralität – Rückeroberung, Siegfrieden. Je nach Kriegsverlauf wandelte sich die Kiewer Position. Das ist verständlich und eben auch vom Westen mit geschaffen. Eine Ukraine, „die den Krieg gewinnen muss“, ist ein anderes Land als eine Ukraine, die ihre Toten zählt. Und eigentlich könnten es nur die entscheiden, die nichts mehr entscheiden können.
Bauministerin Klara Geywitz rät Menschen, aufs Land zu ziehen, weil in Städten der Wohnraum knapp ist. Ist diese Maßnahme effektiver als ein Mietendeckel oder die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne?
Das wird lustig, wenn Dörfler beim fernen Supermarkt anrufen – und der Anruf beim anderen Dörfler nebenan im Homeoffice landet. Dann setzt sich in der Stadt ein Lkw mit einer Dose Joghurt in Bewegung gen Land. Wahrscheinlich bringen sie einen Hausarzt und einen Kindergarten gleich mit. Landflucht ist eine Option für Besserverdienende, die das Umland der Großstädte eh schon preisverdorben haben. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Mieterbund fordert deshalb ein 50-Milliarden-Programm für Sozialwohnungen, also einen bescheidenen Halbwumms. Denn während die Ampel ihr Ziel – 100.000 vergünstigte Wohnungen pro Jahr – gründlich reißt, verschwindet statistisch alle 19 Minuten eine Sozialwohnung. Vermutlich aufs Land. Der naturreligiöse Glaube an den Markt scheint unausrottbar. Also bitte: Wer an den Markt glaubt, glaubt an Konkurrenz. Zum Beispiel staatliche.
Der deutsche Nationalspieler Mesut Özil hat mit 34 Jahren das Ende seiner Karriere bekanntgegeben. Was hat das bei Ihnen ausgelöst?
Tiefe Trauer. Bei jedem Özil-Transfer verdiente sein Ausbildungsverein Rot-Weiss Essen noch mal einen Brosamen mit.
In Frankreich streiken und demonstrieren Hunderttausende gegen die von Präsident Macron durchgeboxte Rentenreform. Warum gibt es so etwas bei uns eigentlich nie?
Vielleicht ist es gerade der autoritäre Gestus, der Macron dran reizt: Über das Parlament hinweg, gegen die „Straße“: So stellen sich Le-Pen-Wählende eine starke Hand vor. So profitieren Le Pen und Macron. Eigentlich alle. Außer den Franzosen.
Und was machen die Borussen?
Eigentlich mögen wir es mehr, wenn die Bayern n a c h dem Spiel gegen den BVB den Trainer feuern.
Fragen: vag, waam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen