Habeck und der Grünen-Parteitag: Keine Zeit für Konflikte
Robert Habeck und die Grünen sind für den Wahlkampf gut aufgestellt. Doch ihre Glaubwürdigkeit leidet, wenn sie die Fehler in der Ampel nicht aufarbeiten.
T rotz der schlechten Ausgangslage könnte dieser Grünen-Wahlkampf richtig gut werden. Der Kandidat Robert Habeck ist nach dem Ampelbruch wieder er selbst, seine Reden reißen mit, seine Positionen sind klar.
Programmatisch ist die Partei auch wieder stärker bei sich, hat sich so weit links aufgestellt, wie es für Grüne im Jahr 2024 nun mal möglich ist: In der Klimapolitik wollen sie gegen den Backlash standhalten, in der Migrationspolitik aus der Verschärfungsspirale aussteigen, und in Verteilungsfragen haben sie ein Konzept, das das Land wirklich gerechter machen könnte. Die Umfragewerte sind zwar mies und der Gegenwind stark, aber von den Parteien links der Mitte haben die Grünen derzeit das rundeste Angebot.
Eigentlich. Das Problem: Ein gutes Programm hatten die Grünen schon zur Wahl 2021, in Teilen war es sogar mutiger als die Beschlüsse, die sie am Wochenende auf dem Parteitag in Wiesbaden verabschiedet haben. Hinterher, in der Regierung, blieben von all den schönen Kapiteln aber oft nur einzelne Silben.
Das lag nicht nur an der Kompromisslogik einer Koalition, dem schwierigen Partner FDP und der rapide veränderten Weltlage. Es hatte auch damit zu tun, dass das oberste Ziel der Grünen in den letzten drei Jahren ein harmonisches Außenbild der Ampel war. Die eigene Konfliktbereitschaft fuhren sie dafür runter.
Viele ungelöste Fragen
Was können die Grünen machen, damit es in einer neuen möglichen Koalition anders läuft? Wie könnten sie mehr Inhalte durchsetzen? Werden sie ihren Robert Habeck auch dann noch wiedererkennen, wenn er den Wahlkampfpulli erneut gegen die Regierungskrawatte eintauscht? Über all diese Fragen hat die Partei in Wiesbaden, im Schatten des beginnenden Wahlkampfs, nur am Rande diskutiert. Stattdessen sind in den Formulierungen ihrer Beschlüsse die nächsten Konflikte angelegt.
Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan lehnen die Grünen jetzt beispielsweise offiziell ab. Man muss aber erst mal einen Lesekreis bilden, um diese Positionierung auch wirklich im Text zu erkennen. Das macht es Grünen-Vertreter*innen in der Regierung im Zweifel einfacher.
Es gibt weiterhin ungelöste Fragen in der Partei und für die Reflexion darüber fehlt seit Jahren die Zeit. Auf Parteitagen der letzten drei Jahre gab es Debatten über einzelne, akut anstehende Konflikte, aber nicht über die großen Linien. Und sollten die Grünen nach der Wahl 2025 erneut mitregieren, wird dafür wieder kein Platz sein.
Das könnte nicht nur langfristig zur Belastung für den inneren Zustand der Partei werde. Kurzfristig ist es auch ein Risiko für ihren Wahlkampf: Werden die Wähler*innen den Grünen vertrauen, dass sie ihre schönen Pläne auch wirklich umsetzen wollen?
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