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Günstige Sitzplätze bei DBSchafft die Bahn­reservierungen einfach ganz ab!

Die Bahn gerät mit der Preiserhöhung bei Platzreservierungen ausgerechnet für Familien in die Kritik. Nötig sind die sicheren Plätze nur für wenige.

Null Toleranz: Manche Zugreisende ertragen Kinder nur, wenn diese schlafen (Symbolfoto) Foto: Ivanov Aleksey/imago

N ächste Woche darf ich allein Bahn fahren, ohne Kinder, ohne krächzende „Ihr Kinderwagen versperrt den Durchgang“-Durchsagen gefolgt von genervt-verzweifelten „Aber wo soll er denn hin?“-Antworten, ohne dumpfe Blicke und nett gemeinte Erziehungstipps.

Beziehungsweise: All das werde ich wahrscheinlich erleben. Aber ich werde nicht als Protagonist dafür zuständig sein, sondern nur als jemand, der genießen kann und nicht drängeln muss, der in zugewandter, aber nicht übergriffiger Gleichgültigkeit sich eh irgendwann im Bordbistro niederlässt. Trotz Andi Scheuer und anderer CSU-Verkehrsminister ist Bahn fahren für erwachsene Alleinreisende nämlich immer noch das: eine Wohltat – zumindest im Vergleich zu zehn Minuten auf einer deutschen Autobahn.

Eine italienische Mutter hat sich diese Woche mit einem Brief an die Zeitung Corriere della sera gewandt und eine Reise von Rom nach Mailand mit ihren Kindern beschrieben. Giacomo, 6, und Filippo, 7, schreibt sie, schlafen, spielen und lesen, aber sie stehen tatsächlich auch mal auf! Einmal streift Giacomo dabei mit seinem Fuß das Bein des vierten Passagiers am Tisch. Die ­Mutter entschuldigt sich sofort, aber aus dem Mitfahrer platzt es jetzt heraus, er habe drei Stunden lang das Unerträgliche ertragen, die Schuld liege nicht bei den Kindern, sondern bei den Eltern.

Am Ende des Briefs schreibt die Mutter: „Wenn die Toleranzschwelle für die Anwesenheit von zwei oder mehr Kindern und für die entstehenden Unannehmlichkeiten so niedrig ist, dann verdienen wir vielleicht wirklich die Ausrottung.“ Na ja, es ist eher ein langsames Aussterben: 2024 wurden in Italien statistisch 1,18 Kinder pro Frau geboren, der niedrigste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Es gibt inzwischen mehr über 80-Jährige als Kinder unter zehn Jahren.

Nahost-Debatten

Der Israel-Palästina-Konflikt wird vor allem in linken Kreisen kontrovers diskutiert. Auch in der taz existieren dazu teils grundverschiedene Positionen. In diesem Schwerpunkt finden Sie alle Kommentare und Debattenbeiträge zum Thema „Nahost“.

Ich denke bei der Sache an die hiesige Debatte über die Abschaffung der Familienreservierung und schlage vor: Reservierungen grundsätzlich abschaffen. Menschen über 80, unter zehn und andere mit Einschränkungen, inklusive ihrer jeweiligen Betreuungspersonen, erhalten schlicht zuerst Zugzugang. Alle anderen Erwachsenen verhalten sich wie Erwachsene: rücksichtsvoll, auch mal stehend und auf jeden Fall in Vorfreude auf eine Zugfahrt, bei der sie nur für das eigene Glück verantwortlich sind.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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2 Kommentare

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  • Eine Fernreise stehend verbringen? Mehrere Stunden lang? Tut mir leid, da ist ja Autofahren noch angenehmer. Wenn das zum Verkehrskonzept Bahn gehört, ist es keins.

  • Wie wäre es andersrum? Tickets in Fernreisezügen (nicht Nahverkehr) nur gegen Reservierung - wie in anderen Ländern üblich. Dann muss auch keiner mehr im ICE stehen und ich muss nicht mit Menschen diskutieren, die ihren (nicht reservierten) Sitzplatz, auf dem die Reisetasche steht, nicht freigeben wollen.