Gruppe A: Russland – Saudi-Arabien: Schery, Schery, Scheryschew
Russland schlägt ein körperloses Saudi-Arabien. Ein phasenweise gutes Spiel, das aber mit Fußball nicht viel zu tun hatte.
Die Voraussetzungen: Noch nie hat ein Gastgeberland das Eröffnungsspiel verloren, allerdings war auch kaum eins fußballerisch derart schwach auf der Brust wie Russland. Ein Glück geht es gegen Saudi-Arabien; deren Spieltempo erinnert an Tretbootausflüge auf dem Starnberger See. Es muss gewonnen werden, eigentlich egal von wem.
Das Ergebnis: 5:0 (2:0).
Das Spiel: Es begann wild: viele Sprints, Hackenpässe ins Nichts, Einwürfe zum Gegner, Gewusel, Gewirbel und Gezettel. Kein guter Fußball, aber ein gutes Spiel. Nach der dritten Ecke segelte dann im zweiten Versuch ein Ball auf Gaschinskys Schädel, dessen Gegenspieler sich statt hochzuspringen auf den Boden legte: da nickte er ein, und zum Jubeln nickte er noch ein paar Mal. Russlands Trainer Tschertschessow machte weiterhin ein Gesicht, als hätte er einen Hasenbraten zu verdauen.
Nach 20 Minuten nahm sich Russland ein Päuschen, aber zu dem Zeitpunkt hatte Saudi-Arabien noch keinen rechten Plan. Obwohl im Schnitt ungefähr einen halben Meter kleiner, schlugen sie Ecken und Freistöße trotzdem hoch in den Sechzehner; vielleicht war da die Hoffnung, dass einer die Gelegenheit hat, im Strafraum umzufallen, und dass dann der Schiedsrichter pfeift.
Empfohlener externer Inhalt
In der 42. überspielte Russland mit drei Pässen und einem Zweikampf die komplette saudische Defensive, Scherysew ließ mit einer Finte zwei Leute ins Leere kartäusern, um dann – natürlich – ins kurze Eck abzuschließen.
In der zweiten Halbzeit versuchte Saudi-Arabien ein wenig mehr, das Ruder des Geschehens in die Pranke zu bekommen; leider haben sie keine Pranke. Ganz in der Idee des Wahhabismus, der körperlosesten Variante des Islams, spielten sie komplett ohne Zweikämpfe; eine Mannschaft gewordene Konfliktvermeidung. Man könnte es merkelesque nennen, aber dann hätten sie im Mittelfeld schon mit Raute auflaufen müssen.
So verwaltete Russland das Spiel runter; Dschiuba durfte noch einköpferln, Putin klatschte wie nach einem Inlandsflug. Lalala Laola. Und wer dachte, die Alten Herren in Rot-Weiß hätten nur Luft für insgesamt dreißig Minuten, dem zirkelten Scherysew und Kolowin am Ende noch einen rein.
Empfohlener externer Inhalt
WM 2018 – Die Spielorte
Moment des Spiels: 33. Minute, das Spiel nimmt sich ein retardierendes Moment. Erst kullert ein unbedrängter, spielaufbaurelevanter Querpass ins Seitenaus, Russland führt schnell aus, Scherysev läuft und läuft und steht dann an der Seitenlinie, versucht sich an einem angetäuschten Übersteiger und flegelt den Ball ins Aus. Fußball ist ein Fehlerspiel, daran immerhin haben sich alle gehalten; Saudi-Arabien war allerdings konsequenter.
Taktische Variante des Spiels: Es heißt, es gäbe keine taktischen Neuerungen mehr, nur noch leichte Anpassungen. Saudi-Arabien hat die Viererkette hinten drin unter Druck immer wieder mal zu einer Vierertraube verdichtet; das war zwar eine neue, aber – wie sich herausstellte – keine sonderlich tragfähige Idee.
Random Fact: „Auch Anabolika-Doping begünstigt Muskelrisse, da die Muskelmasse dabei unnatürlich schnell anwächst.“ (apotheken-umschau.de, 15.03.2017)
Und nun? Das also war das Eröffnungsspiel. Und morgen geht es dann mit Fußball los.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“