Grundgesetzänderung im Bundestag: BSW und AfD sollen draußen bleiben
Die Resilienz des Bundesverfassungsgerichts soll gegen Demokratiefeinde gestärkt werden. Der Bundestag hat mit großer Mehrheit zugestimmt.
Es war nicht selbstverständlich, dass die gemeinsame Initiative trotz des Ampelbruchs und der anstehenden Neuwahlen weiterverfolgt wurde. „Hier zeigt sich die Stärke unserer politischen Kultur“, sagte Neu-Justizminister Volker Wissing (parteilos). Die CDU/CSU hatte die Gespräche im Februar sogar einmal platzen lassen, die Grundgesetzänderung sei nicht erforderlich, hieß es damals. CDU-Chef Friedrich Merz erhielt dafür jedoch so empörte öffentliche Reaktionen, dass er bereits nach einem Tag zurückruderte und die Union sich wieder an der Initiative beteiligte.
Wichtigster Punkt der Reform ist es, AfD und BSW bei der Verfassungsrichterwahl ausgrenzen zu können. Bisher wird die Hälfte der 16 Verfassungsrichter:innen im Bundestag und die andere Hälfte im Bundesrat gewählt. Da jeweils eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist, müssen sich die Parteien der Mitte einigen. In der Praxis haben CDU/CSU und SPD je sechs Vorschlagsrechte, Grüne und FDP können jeweils zwei Verfassungsrichter:innen vorschlagen.
Sollten AfD und BSW zusammen mehr als ein Drittel der Sitze im Bundestag erreichen, müssten sie nach den bisherigen Regeln auch beteiligt werden. Sie hätten dann eine „Sperrminorität“. Damit könne man die Richterwahl allerdings auch „sabotieren“, warnte Minister Wissing.
Harsche Kritik von der AfD
Die Parteien der Mitte haben deshalb einen Ersatzwahlmechanismus eingeführt: Wenn einige Monate lang im Bundestag keine Zwei-Drittel-Mehrheit für die Wahl neuer Verfassungsrichter:innen zustande kommt, darf der Bundesrat die Richter:innen wählen – und umgekehrt.
Die AfD kritisierte die Mehrheitsparteien heftig. „Sie wollen bewährte Strukturen zerschlagen“, sagte der Abgeordnete Stephan Brandner, „sie greifen das Bundesverfassungsgericht an, nicht wir“. Der Abgeordnete Fabian Jacoby rief der Mehrheit zu: „Sie delegitimieren das Bundesverfassungsgericht. Sie sagen einer immer größeren Zahl von Wählern, dass dies nicht ihr Verfassungsgericht ist.“ Das „Parteienkartell“ sei nicht bereit, „das Verfassungsgericht als Herrschaftsinstrument aus der Hand zu geben“, so Jacoby.
Auch die BSW-Abgeordnete Amina Mohamed Ali kritisierte die Pläne: „Sie befürchten offensichtlich, bei der Bundestagswahl so abgestraft zu werden, dass sie nicht mehr die Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen“, sagte sie. Vertrauensverlust sei aber kein Konstruktionsfehler der Demokratie, der durch eine Grundgesetzänderung korrigiert werden müsse.
Neben dem neuen Ersatzwahlmechanismus sollen in der Verfassung einige bekannte Merkmale des Bundesverfassungsgerichts festgeschrieben werden, die bisher nur gesetzlich geregelt sind, etwa, dass das Gericht aus zwei Senaten mit je acht Richter:innen besteht. „So kann verhindert werden“, erklärte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese, „dass antidemokratische Kräfte, wenn sie eine Mehrheit im Bundestag haben, etwa einen dritten Senat mit linientreuen Richtern installieren, der alle wichtigen Verfahren entscheidet.“
Dass die Verfassungsrichter mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden, soll auf Wunsch der CDU/CSU allerdings nicht im Grundgesetz festgeschrieben werden, obwohl viele Expert:innen in dieser breiten Verankerung des Bundesverfassungsgerichts einen Hauptgrund für seine große Akzeptanz sehen. Die Union will dem Bundestag aber die Möglichkeit belassen, bei Bestehen einer destruktiven Sperrminorität das Wahlquorum abzusenken. Zwar ist für solche Fälle künftig der Ersatzwahlmechanismus vorgesehen, die CDU/CSU will sich aber alle Optionen offen lassen.
In einem Änderungsantrag hatte die AfD beantragt, dass die Nichtannahme von Verfassungsbeschwerden künftig begründet werden muss. Ansgar Heveling, der Justiziar der CDU/CSU-Fraktion, wertete dies als Beleg dafür, dass die AfD das Bundesverfassungsgericht durch Mehrarbeit „lahmlegen“ wolle.
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