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Grüne stoppen Null-Promille-VorstoßEine Weinbrandbohne muss drin sein

Pils, Pommes, Zeigefinger: Die Grünen kämpfen gegen eine neue Verbotspartei-Debatte – und versenken die Initiative für einen niedrigeren Alkoholgrenzwert.

Gilt in Deutschland für AutofahrerInnen: die 0,5-Promille-Grenze. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Grünen im Bundestag verzichten auf einen Vorstoß zur Einführung einer Null-Promille-Grenze für Autofahrer. „Von uns wird es dazu auf absehbare Zeit keine Gesetzesinitiative geben“, versicherte der Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, der taz.

Alkohol am Steuer sei zwar eine Gefahr für die Verkehrssicherheit, das belegten wissenschaftliche Untersuchungen. Wer Wein trinke, sollte deshalb das Auto stehen lassen, riet Hofreiter. „Veränderungen der Promillegrenze sind jedoch nicht prioritär“, versicherte der Grünen-Politiker. Wer Hustensaft trinke oder eine Weinbrandbohne esse, dürfe dadurch nicht seinen Führerschein riskieren.

Die Saarbrücker Zeitung hatte zuvor berichtet, die Grünen wollten im Bundestag noch vor der Sommerpause eine Initiative zur Senkung der Promille-Grenze auf Null-Komma-Null einbringen – und sich dabei auf Stephan Kühn berufen, den verkehrspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion. „Wir haben eine klare gesellschaftliche Akzeptanz für null Promille,“ sagte Kühn.

Doch statt dankbarer Kommentare gab es ohne Ende schlechte Presse: „Die Null-Komma-Null-Ideen-Partei“, titelte Spiegel Online. „Nullkommanull – die Grünen sind am Tiefpunkt“, donnerte die Welt. Auch namhafte Grünen-Politiker reagierten genervt: „Den Kampf verlieren wir wie die 'Veggie-Debatte' im Bundestagswahlkampf“, schrieb etwa die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin //de-de.facebook.com/eveline.lemke.5:Eveline Lemke bei Facebook. „Lasst den Zeigefinger stecken.“

Cola-Partei?

Selbst der ehemalige Linksparteichef Oskar Lafontaine fühlte sich vom Saarland aus zu einem Einwurf bemüßigt: „Diese Forderung kann nur von Leuten kommen, für die Pommes mit Ketchup und Cola den Gipfel der Esskultur bedeuten.“ Zur saarländischen Lebensart aber gehöre „ein gutes Essen mit einem frisch gezapften Bier oder einem guten Glas Wein“. Und damit natürlich auch die 0,5-Promille-Grenze.

Die Grünen, statt der Veggie- nun also die Pommes- und Cola-Partei? „Das ist doch albern“, konterte am Freitag Michael Kellner, der Bundesgeschäftsführer der Grünen. „Besoffen wird man vom Pils an der Pommesbude genauso wie vom 200-Euro-Bordeaux im Sternerestaurant.“ Ob sich jemand angetrunken hinters Steuer setze, habe „etwas mit dem eigenen Verantwortungsgefühl zu tun und nicht damit, ob man vorher Fois Gras oder Döner gegessen hat“.

Der Initiator der Promille-Idee, Stephan Kühn, äußerte sich am Freitag derweil zerknirscht: „Der Vorschlag war nicht mit der Fraktion abgestimmt“, sagte der Bundestagsabgeordnete der taz. „Das nehme ich auf meine Kappe.“ Allerdings sei er missverstanden worden. Es sei ihm überhaupt nicht um eine Senkung der Promille-Grenze auf Null-Komma-Null gegangen, er befürworte stattdessen einen Grenzwert von 0,2 Promille.

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12 Kommentare

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  • Die Katze kann halt das Mausen nicht lassen. Stellt sich nur die Frage, ob es ein Mangel an Selbstvberherrschung war, dass Kühn seinen Vorstoß auch ohne Abstimmung mit der Fraktion herausposaunt hat. Oder ob er nicht doch insgeheim hofft, mit dem - angeblich - abgelegten Selbstverständnis der Grünen als einzig wahre Richtigwisserpartei, die den Rest der Welt möglichst weitgehend zu ihrem Glück zwingen darf, doch weiter punkten zu können. Dieser Kurs ist schließlich immer schon der "einzig richtige" gewesen... ;-)

    • @Normalo:

      Nachtrag

      Dritte, viel wahrscheinlichere Möglichkeit: ABER HALLO war das abgestimmt und die ganze Grünenspitze wollte eigentlich wieder zurück zum guten alten Kurs des Verbots von Allem, was politisch suboptimal ist. Nur erntete der Testballon eben einen Sturm von Ablehnung, und der Herr Kühn darf jetzt den Sündenbock geben. Im Gegenzug wird er von denen, die er deckt, innerparteilich schadlos gehalten - Funktionärsgeschäft halt.

      • @Normalo:

        "zum guten alten Kurs des Verbots"???

         

        Ich lese das anders. Der Kühn ist FÜR mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Und dafür sollte man dankbar sein.

        • @Senger Gabrielle:

          Also in Ihrer Vorstellung ist ein Verbot kein Verbot, wenn etwas verboten wird, dass man für schädlich hält. Damit können Sie natürlich jede noch so autoritäre Regierungsweise schönreden.

           

          Aber das ist symptomatisch für den letztlich totalitären Machtanspruch der Grünen. Auch Claudia

          Roth in einem taz-Interview vor der Wahl klargestellt, dass sie Freiheiten nur als solche anerkennt, wenn sie aus grüner Sicht vorteilhafte Verhaltensweisen schützen (also z. B. Autofahren nur bis 100 km/h). Aber diese "Freiheit der Gleichgesinnten" ist genau nicht das, was unsere Verfassung schützen soll.

           

          Bitte fragen Sie sich doch mal generell, wie ein Mensch ethisch verantwortungsvoll handeln kann, wenn Vater Staat ihm (nach Kräften) überhaupt nicht die Wahl lässt, sich "falsch" zu entscheiden. Wollen Sie eine grundsätzlich ethisch entmündigte Bevölkerung?

        • @Senger Gabrielle:

          Was Kühn vorschlägt ist aber allein schon von der Messgenauigkeit her nicht praktikabel, siehe Schnapspraline, Hustensaft oder der Genuß einer gut abgelagerten Banane...

           

          Lesen Sie sich doch auch noch mal die interessanten Aspekte durch die @Bat Cat No 1 am 28.3. um 17:21 geschrieben hat!

          • @Waage69:

            Eben!

             

            Der Vorschlag ist ein typisches Beispiel einer Idee die nur eine völlig naturwissenschaftsferne politische Klasse ausbrüten kann!

            Allerdings auch bezeichnend für deren Umweltrezeption!

             

            Bei 0 ‰ sind Obst und Säfte dann auch außen vor!

             

            Kein Wunder wenn dann zurückgerudert wird!

             

            Glück auf!

             

            Karl

  • ps: werden studenten zum prüfen von kommentaren auf niedriglohnbasis gesucht?

    • Statler , Moderator
      @gastkommentar:

      Derzeit leider nicht. Aber vielen Dank für das Angebot.

  • Alkohol, Steuern, sogenannte Posingpornographie von Kindern, was wird denn alles weiter verschärft?Gerade bei letzterem scheint es wenig zu helfen.

    Ich erinnere mich nur an gesenkte Roaminggebühren und krümmere Gurken, nichts was weniger sanktioniert, kontrolliert oder bestraft wurde.

    Da tut sich eine Menge, aber man darf es eben nicht im Kleinen, Promillbereich, sehen, sondern muss sich das Bild ansehen was gesamtheitlich entsteht.

  • Grundsätzlich halte ich ein Alkoholverbot am Steuer für durchaus sinnvoll. Allerdings muss man bei einem derartigen Gesetz auch Nebenfolgen in Betracht ziehen. Ich habe mich bei einigen Besuchen im schönen Schweden immer gewundert, dass trotz einer Grenze von 0,2 Promille die Leute durchaus alkoholische Getränke zu sich genommen haben, die eine solche Grenze überschritten haben. Auf Nachfrage erntete ich nur breites Grinsen und die Erklärung, dass das Alkoholverbot im Straßenverkehr ein unanwendbares Gesetz darstelle: Die Polizei dürfe nämlich nur bei auffälligem Verhalten im Straßenverkehr eine sog. Verdachtsprüfung vornehmen. Nun können viele Autofahrer selbst mit 0,8 Promille noch Auto fahren, ohne geparkte Fahrzeuge zu rammen oder rote Ampeln zu ignorieren - nur in einer Extremsituation zeigen sich die Ausfallerscheinungen. Also fährt man mit 0,5 oder 0,6 Promille und die Polizei muss dabei zusehen.

     

    Sollte ein solches Gesetz in Deutschland kommen, müsste man also auch das Polizeirecht dahingehend ändern, dass stichprobenartige Kontrollen auch ohne Verdacht möglich werden (wie es bei unter 21jährigen der Fall ist). Aber beim Polizeirecht werden gerade die Grünen sehr, sehr liberal und wollen am besten gar nichts zugestehen. Von daher war der Verzicht eigentlich eine logische Konsequenz.

  • PH
    Peter Haller

    Genauso bescheuert wie das Verbieten irgendwelcher Sachen durch die Grünen ist das schon zwanghafte Aufheulen der hiesigen Presse und sonstiger Schwachmaten.

    Habt ihr eigentlich alle nix anderes zu tun ?

    • @Peter Haller:

      Das ist halt die Funktion der vierten Gewalt. Wenn das "bescheuerte" Aufheulen ausbleibt, stirbt irgendwann auch die letzte Hoffnung, dass Politiker mal ihre Fehler - oder zumindest die Grenzen ihrer prinzipiellen Unfehlbarkeit - anerkennen. Denn dezentes Ignorieren schwerer Fehltritte wirkt auf narzisstisch veranlagte Menschen (und das sind erfolgreiche Politiker fast durchweg) kaum anders als jubelnde Zustimmung.

       

      Es ist genau das, was als "Verlust von Bodenhaftung" bezeichnet wird, und erfahrungsgemäß (ja, meine eigene) benötigt man geradezu superbescheuert lautstarkes Aufheulen, um einen der "Großkopferten" egal welcher Couleur von seinem einmal bestiegenen geistigen Ross zu holen. Erstmal im gefühlten Inner Circle angekommen, halten die meisten dieser Figuren jeden noch so gutmeinenden - aber leisen - Ratgeber für einfach nicht wichtig genug, um die "wahren" Probleme zu begreifen. Deshalb ist sowas wie eine mediale Götterdämmerung in etwa das richtige Kaliber, um Irgendwen da oben mal ernsthaft zum Nachdenken zu bewegen.

       

      Falsch verstandenes Sendungsbewusstsein wäre eher, wenn die beheulte Initiative NICHT bescheuert wäre sondern nur aus einer Quelle käme, an der das jeweilige Medium aus Prinzip kein gutes Haar lassen kann - oder wenn die Lautstärke des Geheuls das Fehlen von Gegenargumenten übertünchen soll. Das ist hier aber eher nicht der Fall. Artikulierte Argumente gegen eine solche Initiative und vor allem dass sie gerade jetzt ausgerechnet von den Grünen kommt, gibt es zuhauf.