Grüne fordern Pflicht-Ticket: Das große Touristen-Melken
Diese Idee ist nicht zu Ende gedacht: Berlin braucht keine zusätzliche Abgabe für Tourist*innen, sondern eine Verbesserung des bestehenden Angebots.
Ein Zwangsticket für Tourist*innen ist nicht der richtige Weg, um den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in Berlin zu stärken. Die Idee ist nicht zu Ende gedacht. Denn: Berlin braucht keine zusätzliche Abgabe, sondern eine Verbesserung des bestehenden Angebots.
Das Geschrei war groß: Am Rande der Fraktionsklausur der Berliner Grünen in Prag am vergangenen Wochenende hatte Fraktionsgeschäftsführer Daniel Wesener ein verpflichtendes ÖPNV-Ticket für Tourist*innen ins Gespräch gebracht. 5 Euro pro Übernachtung in Berlin sollte es kosten – eigentlich eine Verbesserung im Vergleich zur aktuellen Tageskarte für 7 Euro. Die Grünen rechneten vor: Bei 33 Millionen Übernachtungen im letzten Jahr würden 160 Millionen Euro erzielt werden. Minus (geschätzte) 60 Millionen, da Tourist*innen auch bisher schon BVG fahren. Ergäbe also 100 Millionen Euro Mehreinnahmen für den ÖPNV.
Doch die BVG und auch der Hotel- und Gaststättenverband übten Kritik. Die BVG glaubt nicht an Mehreinnahmen, fürchtet gar Verluste. Die Hoteliers sagen: Eine solche Abgabe schrecke Tourist*innen ab und mache die Stadt weniger attraktiv.
Und sie sendet das falsche Signal: Wer in Berlin umweltfreundlich Fahrrad fahren oder laufen möchte, wird trotzdem zur Kasse gebeten. Das ist nicht fair. Damit würden die Tourist*innen gemolken: Tourist*innen, die wichtig sind für Berlin, die hier für Milliardenumsätze sorgen. Ja, das Tagesticket kostet derzeit 7 Euro. Aber: Nicht jede*r Tourist*in will jeden Tag mehrmals mit den Öffis fahren.
In Berlin gibt es seit 2014 bereits eine Abgabe
Zudem gibt es bereits eine Abgabe: Seit 2014 wird in Berlin die City Tax erhoben. Bei jeder Übernachtung werden 5 Prozent des Übernachtungspreises fällig. Geschäftsreisen sind ausgenommen. Wieso kann nicht dieser Kanal genutzt werden, um ein kostenloses Ticket zu ermöglichen? Das wäre eine prozentuale Lösung, die etwa das junge Hostelpublikum weniger belasten würde als Gäste von Nobelhotels. Andere Regionen in Deutschland machen es vor, etwa der Schwarzwald. Gemolken werden dort nur die Kühe auf der Weide. In der süddeutschen Region kann man mit seiner Gästekarte kreuz und quer durch die idyllische Landschaft fahren. Bezahlt wird lediglich die Kurtaxe. Was allein dort 11.000 Gastgeber*innen und 11 Verkehrsverbünde schaffen, sollte doch auch in Berlin möglich sein.
So wie es im Raum steht, wirkt das Ticket wie ein Versuch, fernab von beschlossenen Nahverkehrsplänen einen Alleingang zu starten. Wenn es R2G wirklich darum ginge, den Umstieg auf Bus und Bahn zu fördern, sollten sie diese vor allem attraktiver und auch günstiger machen. Neue unausgereifte Ideen im Wochentakt à la 365-Euro-Ticket, die bei BVG und Co für Kopfschütteln sorgen, helfen nicht weiter. Deutlich hilfreicher wäre ein Blick in den Nahverkehrsplan. Der sieht bis 2035 Investitionen von 28 Milliarden Euro vor. Es gibt also noch viel zu tun. Diese erst im Februar beschlossenen Maßnahmen sollten vorangebracht werden, bevor jede Regierungsfraktion selbstständig über neue Finanzierungsmodelle brainstormt.
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