Grüne beim Wahlkampf in Hamburg: Mehr Rotary Club wagen
Die Grünen wollen der SPD das Bürgermeisteramt in Hamburg abjagen. Katharina Fegebank setzt auf das liberale Bürgertum der Stadt.
Die Grünen haben in Hamburg viel vor. Fegebank tritt bei der Bürgerschaftswahl am 23. Februar als Kandidatin für das Amt der Ersten Bürgermeisterin an. Sie will die Hansestadt der SPD abjagen.
Hamburg, das ist Olaf-Scholz-Country, der hier 2011 die absolute Mehrheit holte. Sein Nachfolger im Rathaus, Peter Tschentscher, führt seit März 2018 seinen pragmatischen wirtschaftsnahen Kurs fort. Es ist ein Duell um eine der letzten SPD-Hochburgen der Republik.
Die Grüne Fegebank, seit vier Jahren Wissenschaftssenatorin im rot-grünen Senat, ist für den Sozialdemokraten zu einer ernsthaften Konkurrenz geworden. Die SPD liegt in einer aktuellen Umfrage bei 29 Prozent, die Grünen sind bei 26 Prozent.
Wirtschaft, Transformation, Innovation
Fegebanks Grüne liegen also zurück, aber nicht so weit, dass sie nicht gewinnen könnten, wie Grünen-Chef Robert Habeck am Montagnachmittag bei dem Hafentermin sagt. Fegebank habe „eine gute Chance, das Ding zu gewinnen“, sagt der aus Berlin angereiste Habeck.
Es ist kein Zufall, dass die Grünen ihre zweitägige Vorstandsklausur am Montag und Dienstag in Hamburg abhielten. Für die Bundespartei wäre ein Sieg in Hamburg ein weiterer Schritt, um die SPD als „führende Kraft der linken Mitte“ abzulösen.
Das Bürgertum in Hamburg ist stolz auf alte kaufmännische Traditionen. Fegebank weiß, welche Knöpfe man drücken muss, um hier zu punkten. Sie spart sich alles, was links klingen könnte. Wirtschaft, Transformation, Innovation, das sind die Schlagworte, die sie bei allen Auftritten bringt.
Auch am Hafen fehlen sie nicht. Jener, sagt sie, zeige die alte Stärke der Stadt. Aber der Hafen müsse „Teil der neuen Stärke, des Innovationsmotors“ werden.
Spricht da eine FDPlerin?
Fegebank lächelt. „Wir wollen ein Angebot an die ganze Stadtgesellschaft machen.“ Also nicht nur an klassische Grünen-Milieus, sondern auch an die Industrie, an GründerInnen. Motto: Mehr Rotary Club wagen. Wenn man die Augen schließt, kann man bei Fegebank manchmal auf die Idee kommen, da rede eine FDPlerin. Fegebank will Hamburg zum „Global Leader“ machen, „Hightech-Cluster“ aufbauen und „Innovationsschübe“ schaffen.
Der auf die bürgerliche Mitte zielende Kurs ist erfolgreich: Bei der Europawahl im Mai 2019 wurden die Grünen in Hamburg zur stärksten Kraft, beflügelt vom Bundestrend. Bei den Bezirkswahlen im selben Monat schafften sie in vier von sieben Bezirken den ersten Platz.
Der Bundesvorstand hält die Wahl in Hamburg für entscheidend. Sie ist die einzige Landtagswahl in diesem Jahr – und deshalb ein groß beachteter Stimmungstest. Passend zum bevorstehenden Wahlkampf fasste er am Dienstag den Beschluss, Hamburg in den nächsten Jahrzehnten klimaneutral zu machen. Die Grünen fordern zum Beispiel „klimaneutrale Transportketten“ für den Hafen.
Außerdem wollen sie energieintensiven Industrien besser beim Klimaschutz helfen. Investitionen in CO2-neutrale Prozesse, etwa in der Stahlherstellung, lohnten sich derzeit meist noch nicht. Daher sollten Unternehmen die Differenz erstattet bekommen zwischen dem CO2-Preis, den sie für ihren Treibhausgas-Ausstoß zahlen müssen, und den notwendigen Investitionen in klimafreundliche Verfahren. Die Grünen wissen: Solche Botschaften hören Unternehmen gern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“