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Grüne bei der Landtagswahl in HessenPunkt für Punkt ganz nach vorn

Im Landtagswahlkampf tourt Umweltministerin Priska Hinz durch Hessen. Die Bilanz der Grünen in der Koalition mit der CDU ist gemischt.

Priska Hinz will eine Schutzzone von 150m vor Beratungsstellen wie „Pro Familia“ einführen Foto: Christoph Schmidt-Lunau

„Priska on Tour“ steht auf dem quietschgrünen Hybridkombi, mit dem die Spitzenkandidatin der hessischen Grünen, Priska Hinz, vor der Frankfurter Zentrale von Pro Familia vorfährt. Die hessische Umweltministerin will hier zusammen mit dem Bündnis für Frauenrechte gegen die „Mahnwache“ fundamentalistischer KatholikInnen protestieren.

Seit ein paar Tagen haben sie sich auf dem Platz vor der Beratungsstelle aufgebaut: Heute sind es ein Mann und vier Frauen, eine von ihnen kniet auf dem Pflaster. Sie nesteln an ihren Rosenkränzen und murmeln Gebete. Ein Plakat zeigt ein Baby. „Nimm meine Hand und mir nicht das Leben!“, steht da.

„Empörend“ nennt es die grüne Spitzenkandidatin, „dass wir die Frauen, die sich zu einer Abtreibung entschlossen haben, auf dem Weg zu einer gesetzlich vorgeschriebenen Beratung nicht vor dieser Drangsalierung schützen können.“

In der nächsten Legislaturperiode werde ihre Partei für eine gesetzliche Regelung sorgen, die in einer Schutzzone von 150 Metern rund um solche Beratungsstellen Demonstrationen untersagt. „Bislang haben wir bei unserem Koalitionspartner CDU eine solche Regelung noch nicht durchsetzen können“, sagt sie und dankt denen, die gekommen sind, um die Frauen auf dem Weg zur Beratung abzuschirmen.

Rot–Rot–Grün ist möglich

Es gibt eine Reihe solcher Punkte, die die hessischen Grünen in den letzten fünf Jahren bei ihrem Koalitionspartner CDU nicht haben durchsetzen können. Etwa eine gesetzliche Regelung, nach der Städte mit angespannter Wohnungssituation die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen verhindern können. Auch da verspricht die Partei für die nächste Legislaturperiode eine neue gesetzliche Regelung.

Gut möglich, dass die Hessen-Grünen nach der Landtagswahl am 28. Oktober ihre Themen tatsächlich durchsetzen können. Der aktuelle Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir könnte neuer Ministerpräsident werden. In Umfragen liegt seine Partei bei 21 Prozent, genauso wie die SPD.

Ministerpräsident Volker Bouffiers CDU liegt mit aktuell 26 Prozent zwölf Prozentpunkte unter dem Ergebnis von 2013. Rechnerisch möglich wären demnach Dreierbündnisse aus Grünen, SPD und Linken oder auch aus SPD, Grünen und FDP. Eine Mehrheit für die amtierende schwarz-grüne Regierung ist in den Umfragen ungewiss.

Die Bilanz ist gemischt

Im Regierungsbündnis mit der CDU mussten die grünen Koalitionäre einige Kröten schlucken. Am Frankfurter Flughafen wird das dritte Terminal gebaut, im Wahlkampf 2013 hatten die Grünen noch dagegen plakatiert. Die von Al-Wazir ausgehandelte freiwillige „Lärmobergrenze“ sichert allenfalls den Status quo. Die Luftverkehrswirtschaft hat sich vorbehalten, sie aufzukündigen, wenn sie zusätzliche Kapazitäten, sprich mehr Starts und Landungen braucht.

Im Bündnis mit der CDU mussten die Grünen einige Kröten schlucken

Als Verkehrsminister darf Al-Wazir jetzt Autobahnabschnitte eröffnen, gegen die Grüne und Umweltschützer jahrzehntelang gestritten hatten. „Damit die Diesel-Fahrer nicht die Dummen sind“, klagt die schwarz-grüne Landesregierung sogar gegen das Diesel-Fahrverbot in Frankfurt.

Die Grünen haben aber auch einiges erreicht: Überall im Land drehen sich mehr Windräder – mit der Angst vor „Windkraftmonstern“ hatte die hessische CDU zuvor Wahlkämpfe bestritten. Gegen starke Widerstände wurde der Staatsforst auf eine schonende Bewirtschaftung umgestellt.

Beim Ausbau der Infrastruktur setzt die Regierungskoalition verstärkt auf den öffentlichen Personennahverkehr, bei den Straßen auf Erhalt statt Neubau. Das neu eingeführte Schülerticket ist ein Renner, jede SchülerIn ist in Hessen für 365 Euro im Jahr in ganz Hessen mobil. Und allen Landesbediensteten steht ein Job-Ticket zu.

Solidarisch und bio

Auch auf dem Land hat sich einiges getan. Es gibt in Hessen so viele Biobetriebe wie nie zuvor. An diesem Nachmittag besucht Priska Hinz die „Solidarische Landwirtschaft“ im Frankfurter Stadtteil Niederrad. Bei frisch gekeltertem Apfelsaft informiert sich Hinz, die auch Landwirtschaftsministerin ist, über das Modell.

Auf 7.000 Quadratmetern bauen Betriebsleiterin Irmtraud Schmid und ihre drei MitarbeiterInnen auf dem Schwemmland am Mainufer Topinambur, Kohl, Tomaten, Auberginen und alle sieben Kräuter der berühmten Frankfurter „Griee Soß“ an. Die achtzig Mitglieder der Kooperative beziehen das Gemüse und die Kräuter im einem Abonnement. „Überall sprießen solche Projekte aus dem Boden. Es gibt eine neue Bewegung für gute Landbewirtschaftung und gutes Essen“, freut sich die Grüne.

Doch die Betriebsleiterin bekennt offen, dass sie die Fördermittel für ihren Biobetrieb gar nicht in Anspruch nimmt. „In der Zeit, die ich für das Ausfüllen der Anträge brauche, wickele ich 30 Portionen Grüne Soße; das Ausfüllen der Anträge lohnt nicht für die 300 Euro, die mir vielleicht zustehen“, sagt sie.

Feldbetten für Erstsemester

Das Problem ist der Ministerin bekannt. Wenn das Land Mittel der EU zu verteilen habe, sei der bürokratische Aufwand beträchtlich. „Es ist die Pest“, räumt sie ein und verspricht, über ein unbürokratisches Programm mit Landesmitteln nachzudenken.

Am Abend hat Hinz ein Heimspiel im Frankfurter Nordend, einer grünen Hochburg. Fünfzig Interessierte sind ins Café Awake gekommen, die meisten Mitglieder oder FunktionärInnen. „Priska“ berichtet vom Kurswechsel beim sozialen Wohnungsbau. In den beiden letzten Jahren habe die Landesregierung Milliarden für die Förderung ausgegeben, sagt sie. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft NH, die zu Beginn der Legislaturperiode noch verkauft werden sollte, sei gestärkt worden.

Doch das ist Zukunftsmusik. Keine hundert Meter vom Veranstaltungsort entfernt hat der Asta der Fachhochschule Feldbetten in einer Mehrzweckhalle aufgestellt. Dort können Erstsemester, die keine Wohnung finden, übernachten. In Frankfurt schießen die Mieten durch die Decke.

Sozialwohnungen verschwinden

Ein junger Mann berichtet, schon zwei mal habe er seine Wohnung verloren, weil neue Eigentümer Eigenbedarf angemeldet hätten. Jetzt hat eine Firma das Haus, in dem er wohnt, übernommen. Das Unternehmen ist für seine rüden Methoden bekannt. Die Ministerin kündigt an, in der nächsten Legislaturperiode ein gesetzliches Umwandlungsverbot durchsetzen zu wollen.

„War’s das?“, fragt der Mann. Er weiß, dass er zum dritten Mal ausziehen muss. Und noch immer fallen Jahr für Jahr in Frankfurt mehr Sozialwohnungen aus der Bindung, als neue gebaut werden.

War’s das?, fragt der Mann. Er weiß, dass er zum dritten Mal ausziehen muss.

Bei den Themen bezahlbarer Wohnraum, Bildungspolitik und Wirtschaftskompetenz liegen die Grünen in den Umfragen deutlich hinter der CDU und den Sozialdemokraten. Bei der Sonntagsfrage liegen sie dagegen fast gleichauf. Richtig erklären kann den Höhenflug niemand.

„Tarek statt GroKo“

CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier meint, die Grünen hätten sich von der linken Mitte hin zum „Bürgertum, ja zum Großbürgertum“ geöffnet. Er bescheinigt seinem Koalitionspartner, „erstaunlich diszipliniert und hierarchisch organisiert“ zu sein. Für grüne Fundis ist das wohl eher ein vergiftetes Lob.

Unter dem Slogan „Tarek statt GroKo“ lächelt seit dem Wochenende ein überlebensgroßer Tarek Al-Wazir in ganz Hessen von Großplakaten. Die Popularitätswerte des grünen Frontmanns sind besser als die des Regierungschefs Bouffier. Am Wochenende hat der Grünen-Frontmann noch einmal klar gemacht, dass nichts entschieden ist.

Der Welt sagte Tarek Al-Wazir, erst nach Auszählung aller Stimmen werde sich zeigen, „was rechnerisch geht und – noch wichtiger – was mit wem inhaltlich geht“. Sein Regierungschef Bouffier und Bundeskanzlerin Angela Merkel warnten schon mal vorsorglich vor einer möglichen linken Mehrheit.

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12 Kommentare

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  • Ich hoffe, die Grünen kommen in die Situation sich entweder für Schwarz-Grün oder für RRG zu entscheiden. Dann fallen die Masken. Auf der anderen Seite sollte die linke aufpassen mit wen sie Koalitionen eingehen, die Grünen sind alles andere als gute Koalitionspartner, diese Heuchler.

  • Wie konnte es soweit kommen, das einstige Vorzeige Blatt sog. linker Politik, marschieren mit illegalen Kriegen, siehe Kosovo, unter grüner Beteiligung, und trommeln heute für noch mehr Neoliberalismus?

    Für mich waren die grünen immer nur Blender. die Klimaschutz Probleme haben Sie dazu genutzt, um in die Parlamente einzuziehen, heute dienen sie nur noch als Mehrheitsbeschaffung für noch mehr Neoliberalismus Ausbeutung und Kriege. Seit dem Völkerrechtswidrigen Krieg auf Grund von Lügen, waren die Grünen so für mich nicht mehr wählbar. Wo "Grüne" drauf steht ist schwarz drin. Unwählbar!!!!

    • @Illoinen:

      Die Grünen profitieren in Hessen nicht durch ihre Politik, sondern durch einen bundesdeutschen Trend. Die Grünen hatten im Juni noch 10% weniger in den Umfragen, jetzt spült die medial geführter Hype nach oben.

    • @Illoinen:

      Die Grünen werden als neues Opfer der Union aufgebaut, da die spd kaputt ist. Und die Grünen tun nicht mal do, daß abzustreiten.

  • Sicher haben die Grünen hier und da Akzente gesetzt – aber der – vor vielen Jahren von den Grünen bekämpfte – Flughafen Frankfurt und der Autoverkehr sind sogar gewachsen, die Wohnungsnot auch, und die Grünen haben dem harten hessischen Polizeigesetz zugestimmt (die taz berichtete) “Sogar”, hätte man früher ergänzt, “logisch”, muß man heute sagen: eine ganz und gar angepaßte neoliberal-konservative Partei, für die die taz hier Werbung macht. Die Grünen werden “Punkt für Punkt immer schwärzer”, muß man leider sagen.Quelle Nachdenkseiten

    • @Illoinen:

      Was haben die Grünen im Regierungsverantwortung umgesetzt was der Mehrheit der Bevölkerung zugute kommt? Wer sich mit dem System anlegt,, der bekommt auf die Rübe, schlechte Presse inkl. Wer sich im System eingerichtet hat wie die grünen, bekommt beste Werbung und können sogar mit der Union koalieren. Wie sagte Ludger Vollmer die Grünen waren früher ökologisch, links liberal jetzt sind die nur noch ökologisch, von Mitte unten zu Mitte oben. Weil soziale Gerechtigkeit interessiert das groh ihrer Wähler nicht

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ..."Bei frisch gekeltertem Apfelsaft informiert sich Hinz, die auch Landwirtschaftsministerin ist, über das Modell."?



    So ähnlich läuft's auch in Bayern. Die Grünen schwärmen von der sog. solidarischen Landwirtschaft und vom selbst gekelterten Apfelsaft, vergessen dabei aber zu erwähnen, dass sich Normalverdiener die Mieten auf dem Land nicht mehr leisten können.

  • Interessant, was Parteien wie auch die Grünen alles vor Wahlen versprechen. Genau das, was sie nach den letzten Wahlen schon nicht eingehalten haben.

    • @Rolf B.:

      Ich warte ja immer noch drauf, dass Sie mal in die Politik gehen, um uns allen dann zu zeigen, wie Sie das in einem 5-7-Parteiensystem als kleiner Koalitionspartner alles so viel besser hinbekommen mit der unbegrenzten Traumumsetzung als die achso blöden Grünen und Linken. Oder koalieren Sie gar nicht, sondern übernehmen gleich als GröRatZ die Weltherrschaft...?

  • "Das neu eingeführte Schülerticket ist ein Renner, jede SchülerIn ist in Hessen für 365 Euro im Jahr in ganz Hessen mobil."

    Warum wird nicht erwähnt, dass Kinder/Jugendliche die mehr als 2km bzw. 3km von der Schule entfernt wurden jetzt kostenlos durch GANZ Hessen fahren können, alle anderen aber die 365€ zahlen? Ich finde das ungerecht.

    www.schuelerticket..._schülerticket.pdf

    • @Insaf Achmed Abdel:

      Weil das in Hessen auch schon vorher so geregelt war, § 161 Abs. 2 HSchG.

      "Grundsätzlich gilt, dass bei einem Schulweg von mehr als 2 km zur zuständigen Grundschule beziehungsweise von mehr als 3 km zur weiterführenden Schule die Fahrkosten übernommen werden."

      kultusministerium....hrkostenerstattung

      Das System ist jetzt einfach auf das Schülerticket übertragen worden.

  • Der Korrespondent sollte sich selbst genauer lesen.



    Er hat nähmlich eine sehr dicke Kröte vergessen, das neue hessiche Polizeigesetz.

    www.taz.de/Archiv-...eigesetz%2BHessen/