Grüne MdBs über Gemeinnützigkeit: Wenn Finanzämter die Macht haben

Gemeinnütziger Journalismus gewährleistet Unabhängigkeit und Staatsferne. Doch es fehlt an Rechtssicherheit. Zeit das zu ändern. Ein Gastbeitrag.

Demobild mit Schild „Was muss noch passieren?“

Die Recherchen von „Correctiv“ lösten Anfang des Jahres eine Protestwelle in Deutschland aus Foto: Christian Ditsch

Am Mittwoch wird das Bundeskabinett das Jahressteuergesetz beschließen. Es ist die letzte Möglichkeit, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform des Gemeinnützigkeitsrechts anzugehen und damit Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus und zivilgesellschaftliche Demokratiearbeit zu schaffen.

Anfang des Jahres rüttelten Enthüllungen des Correctiv-Recherchenetzwerks über das Potsdamer Treffen rechter Kreise, bei dem ein Plan über die systematische Abschiebung von Millionen Menschen aus Deutschland diskutiert wurde, die Öffentlichkeit auf und lösten eine Welle der Solidarität aus. Bundesweit fanden Demonstrationen für Demokratie und ein vielfältiges, weltoffenes Land statt. Ein großer Verdienst des Recherchenetzwerks, das viele Ressourcen für die aufwändige Recherche aufbringen musste.

Angesichts der großen Herausforderungen für unsere Demokratie, Desinformationskampagnen und Bestrebungen, den demokratischen Diskurs zu manipulieren und die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen, wird allerorts das hohe Lied auf den Journalismus gesungen. Doch der gerät immer stärker unter Druck.

Räume ohne Zeitungen

Ein massiver Rückgang an Abonnements und ein Abwandern der Werbung ins Digitale hat bereits zum Personalabbau oder sogar zur Schließung ganzer Redaktionen geführt. Fusionen im Pressemarkt haben bereits zu einem Verlust der breiten Vielfalt unserer Medienlandschaft geführt. Gerade im ländlichen Raum drohen Zeitungswüsten. Im Osten Deutschlands gibt es heute schon Regionen, in denen keine Lokalredaktion mehr ­existiert. Die Medienkrise geht einher mit der Demokratiekrise.

Das hat auch die Ampelkoalition in Berlin erkannt und im Koalitionsvertrag eine Presseförderung für die flächendeckende Versorgung vereinbart wie auch die Abmachung, endlich Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus zu schaffen. Ersteres wird angesichts der Haushaltslage nicht mehr kommen. Letzteres ist hingegen ein entscheidender Hebel, Journalismus gerade im lokalen wie im investigativen Bereich nachhaltig zu stärken.

Das Argument für die Gemeinnützigkeit: Sie gewährleistet Unabhängigkeit und Staatsferne und sichert Qualität. Denn viele journalistische Angebote wie Correctiv, Netzpolitik.org, Finanztip.de, EinfachHeidelberg, FragdenStaat, MedWatch oder Relevanzreporter Nürnberg haben ihre Finanzierungsmodelle auf Spenden aufgebaut. Die Spendenbereitschaft steigt, wenn Spenden steuerlich absetzbar sind. So erhöhen sich auch die Einnahmen, was die Qualität stärkt.

Das Problem aber ist: Es gibt dafür keine Rechtssicherheit. Weil Journalismus bisher noch nicht in der Abgabenordnung als gemeinnützig aufgenommen wurde, entscheiden die Finanzämter, ob sie bei journalistischen Angeboten einen Gemeinnützigkeitszweck beispielsweise im Bereich Bildung erkennen können oder nicht. Und die agieren sehr unterschiedlich. So wurde nach einigen Veröffentlichungen offenbar Druck auf Betreiber gemeinnütziger Angebote ausgeübt und mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit gedroht, so wie sie dem „Volksverpetzer jetzt sogar aberkannt wurde. Das ist alles andere als staatsfern.

Deshalb darf es nicht auf den Goodwill des Finanzamts in einer Stadt oder einem Landkreis ankommen, ob ein journalistisches Angebot vor Ort als gemeinnützig anerkannt wird oder nicht. Dafür brauchen wir dringend einheitliche Standards – und eben Rechtssicherheit. Das fordert auch ein breites Bündnis im Forum Gemeinnütziger Journalismus, in dem sich neben den Betreibern journalistischer Angebote auch die Gewerkschaften wie DJV und dju in Verdi, die taz Panter Stiftung, die Rudolf Augstein Stiftung, die August Schwingenstein Stiftung sowie NGOs wie vocer., Netzwerk Recherche, Transparency International oder Hostwriter und viele andere zusammengeschlossen haben.

Lücken, die sich schließen

Die Kri­ti­ke­r:in­nen einer Anerkennung von gemeinwohlorientiertem Journalismus führen immer wieder an, dass dann auch rechte Publikationen davon profitieren könnten. Dem ist entgegenzuhalten, dass es klare Kriterien für die Gemeinnützigkeit von Journalismus geben sollte, die das Forum Gemeinnütziger Journalismus zu Leitlinien nach den Vorbildern der Initiative Transparente Zivilgesellschaft, der Abgabenordnung und dem Pressekodex entwickelt hat.

Das Forum schlägt zudem ein Siegel analog zum Transfair Siegel beim fairen Handel für Medienprojekte vor, das nach einem transparenten und überprüfbaren Verfahren verliehen werden soll.

Denn gemeinnützige Journalismusprojekte stehen nicht in Konkurrenz zu klassischen Medienangeboten, sondern sollen sie ergänzen und dort die Lücken schließen, wo der Markt versagt. Sogar der Bundespräsident hat bei seinem Grußwort auf den Medientagen Mitteldeutschland im Mai gemeinnützigen Journalismus ganz selbstverständlich neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, privaten Medien und Verlagen als Teil unserer vielfältigen Medienlandschaft genannt. Damit diese vierte Säule auch demokratie- und zukunftsfest Bestand haben kann, braucht es für den gemeinwohlorientierten Journalismus die Anerkennung als gemeinnützig. Das sollte die Bundesregierung jetzt endlich beschließen.

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MdB der Grünen und Medienexpertin, ist Vorsitzende des Ausschusses für Digitales des Deutschen Bundestags.

MdB der Grünen, ist Mitglied im Finanzausschuss und Berichterstatterin für die Gemeinnützigkeit der grünen Bundestagsfraktion.

Bilder zur Pressefreiheit 2024 Illustration von Lucia Žatkuliaková 6976051 6008040 g6008040

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