Grüne Männchen nur innerstädtisch: Sie sind nicht unter uns
Über Nordamerika schweben unbekannte Objekte, angeblich ohne Außerirdische. Warum kommen Aliens eigentlich nie nach Europa?
Beruhigende Nachrichten aus den USA: „Es gibt keinen Hinweis auf Aliens oder außerirdische Aktivitäten bei diesen jüngsten Abschussaktionen“, ließ die Sprecherin des Weißen Hauses die Presse am Montag wissen. Denn im Himmel über Nordamerika spielt sich gerade Aufregendes ab: Nachdem bereits ein potenzieller Spionageballon chinesischer Bauart über der Küste des südöstlichen Bundesstaates South Carolina abgeschossen wurde, sind nun über Alaska, Kanada und dem Mittleren Westen weitere fliegende Objekte gesichtet worden.
Das US-Militär schoss seit Freitag drei von ihnen ab. Was mit ihren Trümmern geschehen ist und worum es sich bei den Flugkörpern genau handelt, ist noch unklar. Nachdem es erst hieß, die Flugkörper seien achteckige Objekte, sollen es nun metallische Ballone in Größe eines Kleinwagens sein.
Wilde Spekulationen brandeten durch soziale Medien: Handelt es sich dabei etwa um fliegende Untertassen? Haben wir gerade außerirdischen Besuch aus dem Himmel geschossen? So weit gingen die Gerüchte, dass sich das Weiße Haus schließlich genötigt sah, klarzustellen, dass es sich bestimmt nicht um Aliens handelt. Nothing to see here!
Spätestens seit „Akte X“ haben wir jedoch gelernt, daran zu zweifeln, wie vertrauenswürdig Vertreter der US-Regierung in gut sitzenden Anzügen und mit akurat gescheiteltem Haar sind, wenn es um Extraterrestrisches geht. Und da gibt es einiges: Das Geoinformationsunternehmen Esri veröffentlichte 2019 ein Video, in dem alle UFO-Sichtungen seit 1906 als gelbe Punkte auf einer Weltkarte aufgezeichnet sind.
US-Pass zeigt Final frontier
So viele Menschen können nicht unrecht haben, hinter einem dieser leuchtenden Punkte muss sich doch eine fliegende Untertasse verbergen! Auffällig an der Karte ist, dass darauf die USA als strahlendes Zentrum der Alien-Entdecker erscheinen. Auch jetzt schweben die Flugobjekte über Amerika – nicht über Europa. Warum bekommen wir eigentlich nie Besuch? Sind unsere Städte es etwa nicht wert, von Laserstrahlen zerschossen zu werden?
Das Desinteresse beruht vielleicht auf Gegenseitigkeit. Das Interesse am All ist tief in der amerikanischen Kultur verankert. Die letzte Seite des US-Passes zeigt die final frontier: die Raumsonde Voyager, die am Mond vorbeifliegt. Hollywood schmeißt seit Jahrzehnten einen Alien-Film nach dem andern auf den Markt. Aber auf dieser Seite des Atlantiks scheint sich niemand dafür zu interessieren, was da draußen noch zu finden ist.
Selbst im sonst so technik- und weltraumaffinen sozialistischen Osten sah man keinen Alien weit und breit. In den Science-Fiction-Filmen aus dem Osten wie „Solaris“, „Ikarie XB1“ oder „Signale“ ging es meistens – wie langweilig – um philosophische Fragen des Menschseins.
Ist die Innenstadt ein linksliberales UFO?
Vielleicht müssen wir ja nicht wie die Amerikaner ganz weit nach draußen schauen, um das Fremde und Verstörende zu finden. Gerade erst haben sich ja die CDU-nahen Berliner Außenbezirke wie ein außerirdischer Körperfresser die Stadt einverleibt. Oder ist die Innenstadt ein linksliberales UFO, gelandet im bodenständigen Berlin? Grüne Männchen finden sich innerhalb des S-Bahn-Rings ja zuhauf.
Und es kommt noch dicker: Während Elon Musks SpaceX sich schon aufmacht, den Mars zu kolonisieren, darbt das europäische Weltraumprogramm. „Wir sind in einer ernsthaften Krise des europäischen Trägerraketen-Sektors“ ließ die europäische Raumfahrtagentur ESA kürzlich verlauten. Seit die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos wegen terrestrischer Verstimmungen ihre Sojus-Trägerraketen vom europäischen Weltraumbahnhof abgezogen hat, sitzen die Europäer auf der blauen Kugel fest.
Die neue ESA-Trägerrakete Ariane 6 kommt nicht in die Puschen und soll mit drei Jahren Verspätung erst Ende 2023 starten – wenn überhaupt. Auch der kommerzielle Flug von Vega-C, dazu gedacht, wenigstens europäische Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen, wenn schon keine europäischen Menschen durchs All fliegen, scheiterte kläglich. So wird das nie was mit uns und dem All, mes confrères et consoeurs européens.
Denn wie schön wäre es, nach Corona, Krieg und Umweltkrise mit echten Außerirdischen endlich was hoffnungsvolles zu erleben. Vielleicht hätten die Aliens ja sogar die technologische Lösung für all unsere Probleme in ihrem Space-Rucksack dabei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten