piwik no script img

Grubenunglück in der UkraineSchweigen für die toten Kumpel

Nach dem Grubenunglück in Donezk steigt die Zahl der Opfer auf 33. Die Informationspolitik der prorussischen Kämpfer steht in der Kritik.

Einer der Helfer am Unglücksort macht eine Zigarettenpause. Bild: ap

KIEW taz | Die Ukraine trauert. Nach dem Tod von 33 Bergarbeitern in Donezk am frühen Mittwoch hatte Präsident Poroschenko für den Donnerstag im ganzen Land Staatstrauer angeordnet. In einer Schweigeminute gedachte das Land um 12 Uhr der Opfer.

Am Mittwochmorgen um 5.30 Uhr hatte eine durch eine erhöhte Konzentration von Methan in dem Donezker Bergwerk „Sasjadko“ ausgelöste Explosion in 1.200 Meter Tiefe die Bergleute in den Tod gerissen. 16 zum großen Teil schwer verletzte Arbeiter werden auf den Intensivstationen von Donezker Krankenhäusern behandelt. Fünf von ihnen wurden mit schweren Verbrennungen der Atemwege in das Donezker Zentrum für Verbrennungsopfer eingeliefert.

In einer ersten Stellungnahme erklärte Michail Wolynez, Vorsitzender der Unabhängigen Gewerkschaft der Bergarbeiter der Ukraine, er schließe nicht aus, dass auch die Nichteinhaltung von Sicherheitsvorschriften eine Unglücksursache sei.

Sofort nach Bekanntwerden der Katastrophe hatten sich ukrainische Rettungsteams auf den Weg nach Donezk gemacht. Ihnen verwehrten die Aufständischen der „Volksrepublik Donezk“ jedoch den Aufenthalt auf dem von ihnen kontrollierten Gebiet.

Man habe die Ukraine nicht um Hilfe gebeten, erklärte Denis Puschilin, Vize-Sprecher des Parlaments der „Volksrepublik Donezk“. Sollte man Hilfe brauchen, werde man sich an die „Volksrepublik Lugansk“ und an Russland wenden. Auf einer Pressekonferenz des Katastrophenministeriums der „Volksrepublik Donezk“ erklärte der Leiter des Apparats des Republikchefs, Maxim Leschtschenko, 135 Mitarbeiter des Katastrophenschutzes seien im Einsatz.

Tumultartige Szenen

Während die Behörden der „Volksrepublik“ den Eindruck zu vermitteln suchten, man habe die Lage im Griff, spielten sich vor dem Verwaltungsgebäude des Bergwerks tumultartige Szenen ab. Ehefrauen von Bergarbeitern durchbrachen einen Polizeiring und drangen in den Konferenzsaal ein. Dort beschwerten sie sich über die Informationspolitik der Behörden der „Volksrepublik Donezk“. Sie habe nur über Medien von Einzelheiten der Katastrophe erfahren, berichtete eine weinende Frau auf YouTube.

Der Unfall vom Mittwoch ist nicht die erste Katastrophe im Bergwerk „Sasjadko“. Über ein Dutzend Unfälle in den vergangenen 16 Jahren hatten über 200 Bergleute in den Tod gerissen. Hauptursache waren immer wieder auftretende überhöhte Konzentrationen des hoch brennbaren Gases Methan. Aber auch ein sehr lockerer Umgang mit den Sicherheitsvorschriften ist eine Ursache.

2007 waren sechs hohe Mitarbeiter des Bergwerkes „Sasjadko“ zu zwei bis fünf Jahren Haft verurteilt worden. Man hatte sie für die laxe Einhaltung der Sicherheitsvorschriften verantwortlich gemacht, die 2002 zu einem Grubenunglück mit 20 Toten geführt hatte. Die Strafe war zur Bewährung ausgesetzt worden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Das Wort "Grubenunglück" klingt nach Pech, nach schicksalhafter Wendung zum Niedergang und damit nach einem festen Bestandteil des Lebens: Unglück in der Liebe kennen wir alle, unglücklich ist man allemal. Wo jetzt allerdings 33 Bergarbeitern in Donezk gestorben sind, und in den vergangenen 16 Jahren im gleichen Bergwerg über 200 starben, verdeckt der Begriff die eigentliche Ursache für das sterben:

     

    Der "sehr lockerer Umgang mit den Sicherheitsvorschriften" sowie überhaupt das Nutzen einer Mine mit "immer wieder auftretende überhöhte Konzentrationen des hoch brennbaren Gases Methan" hat seinen Grund in dem Zweck der Mine: Nicht möglichst sicher und angenehm, sondern lohnend muss das Unternehmen sein. Es war kein "Grubenunglück" - nicht in der unberechenbarkeit menschlicher Existenz sondern in der berechnung des Kapitals ist die Ursache dieser Toten zu suchen.

    • @KeinOrt:

      Sehe ich auch so. Zwar liegt im Donbass überreichlich Kohle, aber die Bergwerke sind veraltet, und die Sicherheitsvorschriften und vor allem ihre Befolgung lax. Schon zu sowjetischen Zeiten mußte ich aus eigener Anschauung erleben, wie wenig sich um Arbeitsschutz und die Umwelt gekümmert wurde - inklusive betrunkener Arbeiter bereits zur Mittagszeit. Nicht schön.

      Im Donbass kommt natürlich noch erschwerend hinzu, daß viele Anlagen durch den Beschuß durch die ukrainischen Streitkräfte beschädigt wurden. Bereits mehrmals wurde berichtet, daß Bergleute unter Tage steckengeblieben waren, da die Aufzugsanlagen bzw. ihre Stromversorgung beschädigt waren, aber wenigstens konnten jedesmal die Kumpel lebend und gesund herausgeholt werden.

      Diesmal leider nicht. Daß die neue Verwaltung in Donezk mit der Lage anfangs etwas überfordert war, konnte man schon an dem hin und her betreffs der Opferzahlen erkennen. Nun hat Sachartschenko den 6. März zum offiziellen Trauertag erklärt.