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Großes Drogeriemarkt-TriellWare Liebe

Drogeriemärkte sind lebenslange Begleiter – und viele verteidigen ihre Lieblingskette entschlossen. Rossmann, DM und Budni im schonungslosen Triell.

Offenbar mit der Jobwahl zufrieden Foto: Karsten Thielker

Im Chaos bei Rossi gibt's Schätze

Bestes Produkt: Im Chaos shoppt es sich am besten! Deshalb stehen die Regale in den tollsten Rossmann-Filialen besonders eng zusammen. Wer sich bückt, streckt und in der hintersten Ecke sucht, findet wahre Schätze und ausrangierte, reduzierte Artikel. Rotkäppchensekt, Jackfruit aus der Dose, einen Nasen- und Ohrhaarschneider, hier landet alles im roten Rossmannkörbchen. Der Stand der „Ideenwelt Haushaltsartikel“ begrüßt einen freundlich beim Eintreten. Das beste Produkt ist der matt-schwarze Wasserkocher, der jede zubereitete Tasse Tee noch edler schmecken lässt.

Atmosphäre: Variiert je nach Standortlage: Die Express-Filialen an Bahnhöfen sind überlaufen, hier kämpft man um jede kühle Wasserflasche aus dem Schrank an der Kasse. Lebensretter sind sie an Wochenenden und in späten Stunden trotzdem! Fast zu still ist es hingegen in allen anderen Filialen, wo die Ein­käu­fe­r*in­nen das Potenzial dieser Drogeriekette noch nicht entdeckt haben.

Beste Filiale: Anders ist es an der Rheinischen Straße in Dortmund. Hier ist das Sortiment top, der Laden ist sauber und gut ausgeleuchtet. Sogar die lang ausverkauften Kodak Gold Filme, Hipster kennen den Struggle, findet man ohne Probleme. Und die Mitarbeitenden sind nicht nur freundlich, sondern auch lustig. Hier wird jeder Artikel auf dem Kassenband kommentiert und bei Problemen mit der Rossmann-App („Wo aktiviere ich denn jetzt den Rabatt?“) geholfen.

Das schönste Shopping-Erlebnis: Gab es früher ganz analog, wenn die zerfledderten 10-Prozent Marken, von der Mutter in die Hand gedrückt, ihren Besitzer wechselten. Ein Piepen an der Kasse und schon wieder 70 Cent gespart!

Standortfaktor im Ausland: Die meisten Filialen außerhalb Deutschlands gibt es in Polen, gefolgt von Ungarn und Tschechien. Das Angebot in Südeuropa ist noch ausbaufähig. Ein Trost: Rossmann-Gründer Dirk und seine Oktopus-Thriller tanzen bereits auf internationalen Bühnen, seine Romane sind in 20 verschiedenen Sprachen zu kaufen. Ein Glück!

Best Buddy Budni: nordisch und nett

Bestes Produkt: Die Auswahl in den knapp 200 Budni-Filialen variiert je nach Straße und Stadtteil ein wenig. Aber grundsätzlich gibt es überall alles, was das Großstadt-Herz begehrt – von Jutetüten oder Regenschirmen mit „Moin“-Schriftzug drauf (als Marktführer in Hamburg und Umzu muss das wohl sein) über Mangolassi, Klopapier, Brotdosen, Kontaktlinsen, Bananen, Eier, Sekt, klebende Glitzerherzen und Konfetti und eine große Auswahl an Biokosmetik bis hin zur großen Packung Tictac und günstigen und zugleich hübschen Kulturbeutelchen. Kurz: Hier findet man alles für die Mittagspause, den Wocheneinkauf oder die nächste Reise. Das beste Produkt bei Budni ist, dass es gibt, was man gerade sucht.

Atmosphäre: Die Leute, die hier arbeiten, sind freundlich. Die Leute, die hier einkaufen, sind freundlich. Die Leute, die vor der Tür sitzen und um Geld bitten, sind freundlich.

Beste Filiale: Ist immer die am nächsten gelegene. Budni spricht selber etwas schwülstig vom Ziel, „jederzeit ein individuelles Einkaufserlebnis und ein nachbarschaftliches Lebensgefühl zu bieten“. Weniger schwülstig: Ein ehemaliger Kollege erzählte neulich, eine Kollegin habe ihm wiederum neulich erzählt, dass sie, wenn sie es im Journalismus mal nicht mehr aushalte, bei Budni an der Kassen arbeiten möchte. Verstehe das und teile den Wunsch bisweilen.

Schönstes Shopping-Erlebnis: Es liegt ein Weilchen zurück, muss vor einem dieser Corona-Weihnachten gewesen sein. Budni hatte geöffnet, der Rest geschlossen. Warum? Ist im Nebel der Erinnerung untergegangen. Jedenfalls gab es in einer der eher Haushaltsgeräte-lastigen Budni-Filialen in der Hamburger Innenstadt eine kleine beschichtete Bratpfanne von Jamie Oliver für den Freund und eine Suppendose für die Nichte, mit der sie immer vorbeikommen und Suppe holen kann, ein Leben lang.

Standortfaktor im Ausland: Über die Landesgrenzen hat Budni, das gerade in dritter und vierter Generation geführt wird, es noch nicht geschafft, aber über die Stadtgrenze. Sylt, Berlin, Mannheim, ist ja fast Ausland.

Bei DM ist's wohlig wie im Mutterleib

Auswahl: Haarschneidescheren, Katzenfutter, Analogfilm, Pasta, Nagelschmuck, Melatonin. Noch nie war ich bei DM und musste den Laden wieder verlassen, sagte dabei etwa so was Absurdes wie „Vielleicht gibt’s das bei Müller“, weil ich irgendwas, nach dem ich suchte, im Sortiment nicht fand. Echt beeindruckend sind aber die Eigenmarken, die nicht nur recht billig sind, sondern richtig stabile Qualität haben, vor allem in der Hautpflege.

Bestes Produkt: Dinkel Kaiserschmarrn, sogar von der Bio-Eigenmarke. Hiermit möchte ich einer ehemaligen Kolumnistin, Sarah Lorenz, danken, die mich durch ihre Insta-Stories mit ihrer eigenen Kaiserschmarrn-Passion angesteckt und darüber aufgeklärt hat, dass es dieses Produkt überhaupt gibt.

Atmosphäre: Warme Beleuchtung, besonders im Vergleich zur kühl gefliesten rossmannschen Neonhölle. Total nettes Personal, das, wenn man an diesem Bommel zieht, auch gerne noch eine Kasse aufmacht. Alles irgendwie wohlig, wie in einem Drogerie-Uterus.

Beste Filiale: Aus Nostalgiegründen: die in der Baden Ooser Willi-Drapp-Straße im Industriegebiet.

Schönstes Shopping-Erlebnis: Es gleicht einem Therapiebesuch, wenn man an einem leeren Vormittag unter der Woche eine schöne Filiale betritt. Direkt am Eingang begrüßt einen eine Wolke aus süßlichen Billigparfums. Dann geht man träumerisch durch die Gänge, legt sich viel zu viel ins kleine graue Körbchen. Wenn man frech drauf ist, genehmigt man sich beim Wasserspender eine kühle Erfrischung aus diesen kegelförmigen Pappbechern. Obwohl man nur Müllbeutel und Seife brauchte, zahlt man später plötzlich 40 Euro, upps! Die schönsten DM-Erlebnisse sind diese tranceartigen. Aber auch die teuersten.

Standortfaktor im Ausland: Als ich mal im Urlaub war und mit weit aufgerissen Augen meinen ersten DM auf außerdeutschem Boden gesehen habe, ging mein Herz auf. Natürlich wollte ich sofort rein, so wie alle anderen Deutschen auch. Besonders im Südosten Europas findet man die Drogeriekette. Unter anderem 158 Filialen in der Slowakei, 81 in Italien, 178 in Kroatien, 23 in Nordmazedonien. Es bräuchte einen Reiseführer mit dm-Fokus.

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Anastasia Zejneli
Redakteurin
Jahrgang 1999, studierte Wirtschaftspolitischen Journalismus in Dortmund und gründete ein Kulturmagazin für das Ruhrgebiet. War Taz-Volontärin und arbeitet aktuell im Europateam. Schreibt in der Kolumne "Economy, bitch" über Popkultur und Wirtschaft.
Ilka Kreutzträger
Redaktionsleiterin Nord
Jahrgang 1977, die Soziologin arbeitete lange für die taz nord als Autorin und CvD sowie für den NDR in Hamburg als Nachrichtenredakteurin Online und Radio, ging dann kurz zum stern und war stellvertretende Ressortleiterin Lokales bei der Hamburger Morgenpost. Sie gibt an der Uni Bremen seit 2013 Schreib-Workshops. Seit 2023 ist sie Redaktionsleiterin der taz nord.
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2 Kommentare

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  • Ein großer deutscher Philosoph sagte einmal:



    "DM ist teurer als Rossmann!"



    Mehr fällt mir dazu nicht ein.

  • Eine schöne Dokumentation deutscher Drogeriemörkte, deren Eindrücke ich für meinen Lieblingsmarkt auch genau so bestätigen kann.

    Als kleine Anregung: Wie wärs einmal mit einer ähnlichen Reportage über vereinzelte Bioläden (ohne Filialstatus einer Kette) und ihre Probleme in diesen Zeiten, weil sie durch Inflation und Preiskampf um ihre Existenzen kämpfen müssen? In meinem Lieblingsgeschäft werden die Gesichter immer länger.

    PS: Dinkel Produkte in Bioqualität in einem Drogeriemarkt sind wirklich bemerkenswert!